Page 67 - Weiss, Jernej, ur. 2018. Nova glasba v “novi” Evropi med obema svetovnima vojnama ?? New Music in the “New” Europe Between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 2
P. 67
vielfalt der moderne ...
als die IGNM mußte Donaueschingen nicht auf einen internationalen Pro-
porz Rücksicht nehmen und konnte eigenverantwortlich entscheiden. Be-
reits das Programm des ersten Jahres zeigt die Offenheit gegenüber ver-
schiedensten Stilrichtungen und Schulen. Die Werke von Hába, Krenek,
Horwitz, Berg und Hindemith dokumentieren die weite Spanne dessen,
was damals kompositorisch angeboten wurde. Nationale Grenzen spielten
bei der Auswahl keine Rolle.
Paul Hindemith löste 1924 Erdmann im Programmausschuss ab und
ergriff sogleich die Initiative. Er versuchte Schwerpunkte zu bilden. Die För-
derung von ausschließlich jungen Talenten wurde aufgegeben. So war das
Jahr 1924 hauptsächlich der Zwölftonmusik und ihren Wurzeln gewidmet.3
Es wurden vor allem Komponisten aus dem Wiener Raum eingeladen, so
der bereits international renommierte Arnold Schönberg (1874–1951), sein
Schüler Anton Webern (1883–1945) und der Antipode Joseph Matthias Hau-
er (1883–1953). Egon Wellesz (1885–1974) war ein wichtiger Kontaktmann
für Empfehlungen aus der Wiener Szene.
Das zentrale Werk dieser Musiktage war Schönbergs Serenade für Kla-
rinette, Baßklarinette, Mandoline, Gitarre, Geige, Bratsche, Violoncello und
eine tiefe Männerstimme op. 24 (1920–1923). Schönberg selbst dirigierte ihre
erste öffentliche Aufführung, die er als eigentliche Uraufführung bewer-
tete, am 20. Juli 1924 im Nachmittagskonzert um 17 Uhr. Von Anton We-
bern gab es zwei Uraufführungen: Das Amar-Quartett (mit Hindemith als
Bratschist) spielte die 6 Bagatellen für Streichquartett op. 9. Die Trakl-Lie-
der op. 14 wurden unter seiner Leitung von Claudia Kwartin und Mitwir-
kenden der Schönberg-Serenade interpretiert. Weitere Werke von Kompo-
nisten aus dem Wiener Raum waren die Uraufführungen des Streichtrios
op. 21 von Alexander (Sándor) Jemnitz (1890–1963)4, der zwischen 1913 und
1915 für kurze Zeit Privatschüler bei Schönberg in Berlin gewesen war, von
Hauer 5 Stücke für Streichquartett op. 30 und die Hölderlin-Lieder für tiefe
Stimme und Klavier op. 23. Von Ernst Toch (1887–1964), einem gebürtigen
Wiener, der damals an der Musikhochschule in Mannheim Komposition
unterrichtete, erklang das 11. Streichquartett op. 34. In einer Sonderveran-
staltung wurde das Persische Ballet op. 30 von Egon Wellesz in der redu-
zierten Fassung für neun Instrumente und Schlagzeug uraufgeführt.
3 Peter Andraschke, „Die Rezeption der Wiener Schule im ehemaligen Vorderöster-
reich am Beispiel von Freiburg i. Br. und Donaueschingen in den 1920er Jahren“, in
Musikgeschichte in Mittel- und Osteuropa. Mitteilungen der internationalen Arbeits-
gemeinschaft an der Universität Leipzig, Druck in Vorbereitung
4 Im Programm ist fälschlich op. 22, das ist seine Violinsonate, angegeben.
65
als die IGNM mußte Donaueschingen nicht auf einen internationalen Pro-
porz Rücksicht nehmen und konnte eigenverantwortlich entscheiden. Be-
reits das Programm des ersten Jahres zeigt die Offenheit gegenüber ver-
schiedensten Stilrichtungen und Schulen. Die Werke von Hába, Krenek,
Horwitz, Berg und Hindemith dokumentieren die weite Spanne dessen,
was damals kompositorisch angeboten wurde. Nationale Grenzen spielten
bei der Auswahl keine Rolle.
Paul Hindemith löste 1924 Erdmann im Programmausschuss ab und
ergriff sogleich die Initiative. Er versuchte Schwerpunkte zu bilden. Die För-
derung von ausschließlich jungen Talenten wurde aufgegeben. So war das
Jahr 1924 hauptsächlich der Zwölftonmusik und ihren Wurzeln gewidmet.3
Es wurden vor allem Komponisten aus dem Wiener Raum eingeladen, so
der bereits international renommierte Arnold Schönberg (1874–1951), sein
Schüler Anton Webern (1883–1945) und der Antipode Joseph Matthias Hau-
er (1883–1953). Egon Wellesz (1885–1974) war ein wichtiger Kontaktmann
für Empfehlungen aus der Wiener Szene.
Das zentrale Werk dieser Musiktage war Schönbergs Serenade für Kla-
rinette, Baßklarinette, Mandoline, Gitarre, Geige, Bratsche, Violoncello und
eine tiefe Männerstimme op. 24 (1920–1923). Schönberg selbst dirigierte ihre
erste öffentliche Aufführung, die er als eigentliche Uraufführung bewer-
tete, am 20. Juli 1924 im Nachmittagskonzert um 17 Uhr. Von Anton We-
bern gab es zwei Uraufführungen: Das Amar-Quartett (mit Hindemith als
Bratschist) spielte die 6 Bagatellen für Streichquartett op. 9. Die Trakl-Lie-
der op. 14 wurden unter seiner Leitung von Claudia Kwartin und Mitwir-
kenden der Schönberg-Serenade interpretiert. Weitere Werke von Kompo-
nisten aus dem Wiener Raum waren die Uraufführungen des Streichtrios
op. 21 von Alexander (Sándor) Jemnitz (1890–1963)4, der zwischen 1913 und
1915 für kurze Zeit Privatschüler bei Schönberg in Berlin gewesen war, von
Hauer 5 Stücke für Streichquartett op. 30 und die Hölderlin-Lieder für tiefe
Stimme und Klavier op. 23. Von Ernst Toch (1887–1964), einem gebürtigen
Wiener, der damals an der Musikhochschule in Mannheim Komposition
unterrichtete, erklang das 11. Streichquartett op. 34. In einer Sonderveran-
staltung wurde das Persische Ballet op. 30 von Egon Wellesz in der redu-
zierten Fassung für neun Instrumente und Schlagzeug uraufgeführt.
3 Peter Andraschke, „Die Rezeption der Wiener Schule im ehemaligen Vorderöster-
reich am Beispiel von Freiburg i. Br. und Donaueschingen in den 1920er Jahren“, in
Musikgeschichte in Mittel- und Osteuropa. Mitteilungen der internationalen Arbeits-
gemeinschaft an der Universität Leipzig, Druck in Vorbereitung
4 Im Programm ist fälschlich op. 22, das ist seine Violinsonate, angegeben.
65