Page 73 - Weiss, Jernej, ur. 2018. Nova glasba v “novi” Evropi med obema svetovnima vojnama ?? New Music in the “New” Europe Between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 2
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vielfalt der moderne ...
Trotz der thematischen Kontinuität zu den Donaueschinger und Ba-
den-Badener Musiktagen besaß die Veranstaltung in Berlin eine neue Äs-
thetik, die vom ursprünglichen Festivalcharakter abrücken wollte. So hieß
es programmatisch:
„Die Veranstaltung trägt durchaus den Charakter einer Arbeits-
tagung, die (analog einer Materialprüfungsstelle in der Industrie)
dazu da ist, neue künstlerische, technische und soziologische Ide-
en auf dem Gebiet musikalischer Arbeit auf ihre Verwertbarkeit im
allgemeinen Musikleben zu untersuchen.“11
Eine Fortsetzung der Neuen Musik Berlin fand nicht statt. Die politi-
sche Situation in Deutschland begann sich zu verändern. Hitlers Macht-
ergreifung Anfang 1933 bedeutete in seiner Einflußsphäre für die Künst-
ler der Moderne aller Sparten ein Ende ihrer Arbeit. Viele wurden ins Exil
gedrängt.
Es gab 1934 den Versuch der Stadt Donaueschingen, die Musiktage zu-
rückzuholen, als eine „Wiedergeburt der Donaueschinger Musikfeste auf
neuer Grundlage.“12 Man gewann den schwäbischen Komponisten Hugo
Herrmann (1896–1967), der 1939 auch Mitglied der NSDAP wurde. Er be-
absichtigte ein „den nationalsozialistischen Anschauungen entsprechendes
Musikfest“, das „die frühere Tradition auf einer logischen Linie“13 aufneh-
men sollte. Diese Verbindung bedeutete für ihn als Musikpädagogen die
Konzentration auf die Gemeinschafts- und Gebrauchsmusik. Allerdings
waren die Prämissen jetzt andere. Das zeigen deutlich die Komponisten
und ihre Texte, die sich unter bereits bekannten Themen wie Neue Mu-
sik für die Jugend, Neue Hausmusik, Neue Unterhaltungs- und Gebrauchs-
musik versammelten. Beispielsweise begann das Eröffnungskonzert Neue
deutsche Volksmusik der Musiktage 1934 mit Zwei Marschliedern mit Ins-
trumenten für die HJ (Hitlerjugend) eines gewissen Alfons Schmid (1901–
1979), gefolgt von der Straßenkantate für gleiche Stimmen mit Instrumen-
ten und Sprecher nach dem Motto »Sei auch ein Träger dieser deutschen Tat«
(Texte aus Reden von NS-Führern) von Karl Thieme (1909–2001, seit 1976
Kerstin Thieme). Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die neu gegrün-
deten Donaueschinger Musiktage neben Darmstadt zu einem neuen und
11 Josef Häusler, Spiegel der Neuen Musik: Donaueschingen. Chronik – Tendenzen –
Werkbesprechungen (Kassel: Bärenreiter und Stuttgart/Weimar: J. B. Metzler, 1966),
S. 112.
12 Zitiert nach ebenda, S. 117.
13 Zitiert nach ebenda.
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Trotz der thematischen Kontinuität zu den Donaueschinger und Ba-
den-Badener Musiktagen besaß die Veranstaltung in Berlin eine neue Äs-
thetik, die vom ursprünglichen Festivalcharakter abrücken wollte. So hieß
es programmatisch:
„Die Veranstaltung trägt durchaus den Charakter einer Arbeits-
tagung, die (analog einer Materialprüfungsstelle in der Industrie)
dazu da ist, neue künstlerische, technische und soziologische Ide-
en auf dem Gebiet musikalischer Arbeit auf ihre Verwertbarkeit im
allgemeinen Musikleben zu untersuchen.“11
Eine Fortsetzung der Neuen Musik Berlin fand nicht statt. Die politi-
sche Situation in Deutschland begann sich zu verändern. Hitlers Macht-
ergreifung Anfang 1933 bedeutete in seiner Einflußsphäre für die Künst-
ler der Moderne aller Sparten ein Ende ihrer Arbeit. Viele wurden ins Exil
gedrängt.
Es gab 1934 den Versuch der Stadt Donaueschingen, die Musiktage zu-
rückzuholen, als eine „Wiedergeburt der Donaueschinger Musikfeste auf
neuer Grundlage.“12 Man gewann den schwäbischen Komponisten Hugo
Herrmann (1896–1967), der 1939 auch Mitglied der NSDAP wurde. Er be-
absichtigte ein „den nationalsozialistischen Anschauungen entsprechendes
Musikfest“, das „die frühere Tradition auf einer logischen Linie“13 aufneh-
men sollte. Diese Verbindung bedeutete für ihn als Musikpädagogen die
Konzentration auf die Gemeinschafts- und Gebrauchsmusik. Allerdings
waren die Prämissen jetzt andere. Das zeigen deutlich die Komponisten
und ihre Texte, die sich unter bereits bekannten Themen wie Neue Mu-
sik für die Jugend, Neue Hausmusik, Neue Unterhaltungs- und Gebrauchs-
musik versammelten. Beispielsweise begann das Eröffnungskonzert Neue
deutsche Volksmusik der Musiktage 1934 mit Zwei Marschliedern mit Ins-
trumenten für die HJ (Hitlerjugend) eines gewissen Alfons Schmid (1901–
1979), gefolgt von der Straßenkantate für gleiche Stimmen mit Instrumen-
ten und Sprecher nach dem Motto »Sei auch ein Träger dieser deutschen Tat«
(Texte aus Reden von NS-Führern) von Karl Thieme (1909–2001, seit 1976
Kerstin Thieme). Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die neu gegrün-
deten Donaueschinger Musiktage neben Darmstadt zu einem neuen und
11 Josef Häusler, Spiegel der Neuen Musik: Donaueschingen. Chronik – Tendenzen –
Werkbesprechungen (Kassel: Bärenreiter und Stuttgart/Weimar: J. B. Metzler, 1966),
S. 112.
12 Zitiert nach ebenda, S. 117.
13 Zitiert nach ebenda.
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