Page 94 - Weiss, Jernej, ur. 2018. Nova glasba v “novi” Evropi med obema svetovnima vojnama ?? New Music in the “New” Europe Between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 2
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nova glasba v »novi« evropi med obema svetovnima vojnama

Etwas andere Prioritäten hatte das Modern in Galizien und Bukowina,
damals ein Teil des Habsburg-Imperiums. Hier orientierten sich die Künst-
ler vielmehr auf Wiener Sezession in allen Kunstarten – von der Architek-
tur bis angewandte Kunst -und schon zu diesem Muster eigene nationale
Ausdrucksformen und Mittel angepasst. Die Sezession in der Architektur
und darstellenden Kunst entwickelte sich in origineller örtlicher Form, mit
den Elementen karpatscher Volksarchitektur9 bereichert, die in den gegen-
wärtigen Forschungen als „huzulische Sezession“ bestimmt ist. Diese ei-
genartige ästhetische Kreuzung des Wiener Musters und eigentümlicher
Traditionen entstand zuerst in der Architektur, dann überging in die Male-
rei und angewandte Kunst, eroberte allmählich auch die Musik.

Meistenteils studierten führende ukrainische Komponisten Galiziens
dieser Zeit in großen europäischen Zentren, bei den berühmten Pädagogen:
Stanislaw Ludkewytsch – bei Aleksander Zemlinski in Wien, Wassyl Bar-
winskyj, Nestor Nyshankiwskyj und Mykola Kolessa – bei Vítězslav No-
vák, in Prag. Deswegen erlebten die Komponisten persönlich die Eindrücke
von den Aufführungen solchen prominenten österreichischen Komponis-
ten, die auch die Elemente der Sezession eigenartig in ihrem Schaffen ver-
wandten, wie Gustav Mahler, Richard Strauß oder Aleksander Zemlinski10.
Mahler und Strauß gastierten als Dirigenten persönlich in Lemberg, ihre
Werke sind oft hier aufgeführt, denn natürlicherweise gestalteten sie die
Geschmacke und ästhetische Dominanten junger Generation von Musiker.

Die Wechselwirkung von „Nationalen – Alleuropäischen (in seiner ös-
terreichischen Dimension)“ verläuft bei jedem Komponisten verschiedenar-
tig. So, z. B. bei Nestor Nyshankiwskyj trat ein Spiel mit den kontrastieren-
den Stilarten schon in der der Wahl von Gattungen hervor: „Kleine Suite“
mit dem rein romantischen Programm „Briefe an Sie“ benachbart mit dem
Barock-Zyklus Präludium und Fuge, die rein spätromantische „Improvisa-
tion“ – mit dem sentimentalen Walzer auf Biedermeier-Art. Seine Gestalte
sind nicht tief und dramatisch, der Komponist zog den dünnen, feinen Emp-

9 D.h. die Gebäuden, welche in den Karpatengebirgen gebaut und mit den eigentümli-
chen Ornamenten und Holzschnitzerei dekoriert wurden. Sieh dazu: Jurij Birjulow,
Die Kunst Lviver Sezession (Lviv: Zentr Ewropy, 2005). [Бірюльов Ю. Мистецтво
львівської сецесії.]

10 Sieh dazu: Roman Stelmaschtschuk, „Modernistische Tendenzen im Schaffen
ukrainischer Komponisten 20-er – 30-er Jahre des XX Jahrhunderts“, Referat der
Doktordissertation, (Kyiv, IMFE NAN der Ukraine, 2003) [Стельмащук Роман,
Модерністичні тенденції у творчості українських композиторів Львова
20-х-30-х рр. XX ст.: естетичні та стильові ознаки в контексті епохи. автореф.
дис. ... канд. Мистецтв.]

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