Page 96 - Weiss, Jernej, ur. 2018. Nova glasba v “novi” Evropi med obema svetovnima vojnama ?? New Music in the “New” Europe Between the Two World Wars. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 2
P. 96
nova glasba v »novi« evropi med obema svetovnima vojnama
„der allgemeine Diskurs des Modernismus enthält eine Reihe von
separaten Diskursen; der Europäismus (so eine buchstäbliche
Übersetzung – L.K.) oder westeuropäische Orientierung (insofern
der Modernismus als ein intellektuelles System immer nach Wes-
ten orientiert ist), die Gegenwart (weil der Modernismus bezieht
sich in erster Linie auf die aktuelle Zeit), der Intellektualismus, die
Gegen-Volkstümlichkeit, der Individualismus, der Feminismus, die
Entfernung der kulturellen Tabus, vor allem in der Sexualität, die
Dekanonisierung, der Formalismus in der Kritik und Interesse an
den formalen Teil der Kunstwerke, usw.“13
Aber paradoxalerweise kommen dieselbe Modernisten ganz schnell
zu solchem Punkt, den sie so sorgfältig vermeiden wollten, d. h. zu
Folklore:
„Die volkstümliche Kultur als eine traditionelle, von grundlegender
Bedeutung, zentrale als Symbol der Ukrainer beeinflusste bald the-
oretisierende Sprache von Modernisten. Dies beweist einfach das
Niveau der Intertextualität. Einige Texte sind fast als modernis-
tische Collagen volkstümlicher Sprache und volkstümlicher Ideen
wahrgenommen“.14
Diese Konsequenzen zieht die Forscherin aus der ukrainischen mo-
dernistischen Literatur jener Zeit. In gewissem Sinne betrifft solche Cha-
rakteristik auch ukrainische bildende Kunst, wovon vor allem die sog.
„Schule von Mychajlo Bojtschuk“ zeugt. Mychajlo Bojtschuk selbst, obwohl
aus der armen Bauernfamilie stammte, besaß eine fundamentale Ausbil-
dung: studierte an Wiener Akademie der Kunst, dann bei Leon Wytschul-
kowski (Wyczulkowski) an Krakauer Akademie der Kunst, später noch in
München und Paris. Tiefe gründliche Erlernung mehrer europäischen Sti-
len und dabei die Faszination für alte nationale Kunsttraditionen (entwe-
der christliche Ikonen oder sog. „primitive“ Volksmalerei) führte den Bojt
schuk zu ihrer Synthese, als Ergebnis gestaltete er neue modernistische
Kunstrichtung, den Neubysantinismus. Diesen Name gab dem Stil von Bo-
jtschuk und seinen Nachfolgern der berühmte Dichter Guillaume Apolli-
naire nach der Ausstellung in Paris im Jahr 1907. Dieser kollektiver Stil
(weil Bojtschuk den Prinzip des kollektiven Schaffens erklärte und auf die-
sem Grund eigene Schule formierte) synthesierte die Elemente byzantini-
13 Vgl. ebd., 36.
14 Vgl. ebd..
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„der allgemeine Diskurs des Modernismus enthält eine Reihe von
separaten Diskursen; der Europäismus (so eine buchstäbliche
Übersetzung – L.K.) oder westeuropäische Orientierung (insofern
der Modernismus als ein intellektuelles System immer nach Wes-
ten orientiert ist), die Gegenwart (weil der Modernismus bezieht
sich in erster Linie auf die aktuelle Zeit), der Intellektualismus, die
Gegen-Volkstümlichkeit, der Individualismus, der Feminismus, die
Entfernung der kulturellen Tabus, vor allem in der Sexualität, die
Dekanonisierung, der Formalismus in der Kritik und Interesse an
den formalen Teil der Kunstwerke, usw.“13
Aber paradoxalerweise kommen dieselbe Modernisten ganz schnell
zu solchem Punkt, den sie so sorgfältig vermeiden wollten, d. h. zu
Folklore:
„Die volkstümliche Kultur als eine traditionelle, von grundlegender
Bedeutung, zentrale als Symbol der Ukrainer beeinflusste bald the-
oretisierende Sprache von Modernisten. Dies beweist einfach das
Niveau der Intertextualität. Einige Texte sind fast als modernis-
tische Collagen volkstümlicher Sprache und volkstümlicher Ideen
wahrgenommen“.14
Diese Konsequenzen zieht die Forscherin aus der ukrainischen mo-
dernistischen Literatur jener Zeit. In gewissem Sinne betrifft solche Cha-
rakteristik auch ukrainische bildende Kunst, wovon vor allem die sog.
„Schule von Mychajlo Bojtschuk“ zeugt. Mychajlo Bojtschuk selbst, obwohl
aus der armen Bauernfamilie stammte, besaß eine fundamentale Ausbil-
dung: studierte an Wiener Akademie der Kunst, dann bei Leon Wytschul-
kowski (Wyczulkowski) an Krakauer Akademie der Kunst, später noch in
München und Paris. Tiefe gründliche Erlernung mehrer europäischen Sti-
len und dabei die Faszination für alte nationale Kunsttraditionen (entwe-
der christliche Ikonen oder sog. „primitive“ Volksmalerei) führte den Bojt
schuk zu ihrer Synthese, als Ergebnis gestaltete er neue modernistische
Kunstrichtung, den Neubysantinismus. Diesen Name gab dem Stil von Bo-
jtschuk und seinen Nachfolgern der berühmte Dichter Guillaume Apolli-
naire nach der Ausstellung in Paris im Jahr 1907. Dieser kollektiver Stil
(weil Bojtschuk den Prinzip des kollektiven Schaffens erklärte und auf die-
sem Grund eigene Schule formierte) synthesierte die Elemente byzantini-
13 Vgl. ebd., 36.
14 Vgl. ebd..
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