Page 200 - Weiss, Jernej, ur. 2019. Vloga nacionalnih opernih gledališč v 20. in 21. stoletju - The Role of National Opera Houses in the 20th and 21st Centuries. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 3
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vloga nacionalnih opernih gledališč v 20. in 21. stoletju
Zusammenfassung
Das Provinztheater in Olmütz war Bestandteil eines dichten Netzes aus
Theatern, in denen die Künstler der Habsburger Monarchie während ei-
ner Zeit von mehr als hundert Jahren umherreisten. Obwohl sich die The-
atergesellschaft mit ihrem Theaterdirektor bzw. –Theaterunternehmer an
der Spitze in dem betreffenden steinernen Stadttheater beinahe alle sechs
Jahre – in Krisenzeiten auch noch häufiger – veränderte, handelte es sich
meistens um keinen grundsätzlichen Wandel, und zwar gerade dank der
einzigartigen Organisation der österreichischen Theater im mitteleuropä-
ischen Raum. Die Provinzbühnen verfügten über eine ähnliche Ensemb-
lezusammensetzung und boten ein ähnliches Repertoire an. Dabei lag es
ganz an den Bedingungen der Stadt, zu denen sie einen fähigen Direk-
tor anlocken konnte. Aus diesen Umständen heraus entwickelte sich dann
der Reichtum des Theaterfundus‘ und die konkrete Zusammensetzung
eines Ensembles. Am Beispiel der Olmützer Opernszene zeigen wir, wel-
che Bindungen Olmütz unterhielt; besondere Aufmerksamkeit wird dabei
den Verbindungen zwischen Olmütz, Marburg und Laibach gewidmet. In
den Biographien vieler Olmützer Direktoren figurieren Laibach oder auch
Marburg als Orte vorübergehender Engagements am Theater: Olmütz wur-
de somit zu einer weiteren Umsteigestation auf dem Weg zu bedeutende-
ren Direktorenposten in Deutschland. Der erste Teil des Beitrags unter-
sucht die Situation, in welcher sich das Olmützer Theater mit dem Einfluss
der tschechischen Theater- bzw. Vereinsgesellschaften zurechtfinden muss-
te, als auch tschechische Werke in das Opernrepertoire des Theaters ka-
men, das sich in einer Umgebung stark empfundenen großdeutschen Patri-
otismus‘ befand. Olmütz kann in dieser Hinsicht als modellhaftes Beispiel
der Entstehung des tschechischen nationalen Theaters durch das österrei-
chische Provinzthetaer dienen. Doch ab den 1880er Jahren radikalisierten
sich die nationalen Zwistigkeiten zwischen der tschechischen Minderheit
und der deutschen Mehrheit in der Stadt. Für eine tschechische Produkti-
on im Stadttheater war bereits kein Platz mehr und die Tschechen bauten
ein alternatives tschechisches Theater auf, das zwar nicht vollkommen pro-
fessionell arbeitete, in dem jedoch tschechische Opern erklangen. Nun kam
es zu einer Situation, die sich zu den 50er und 60er Jahren des 19. Jahrhun-
derts umgekehrt verhielt. In Reaktion auf die Konkurrenz immer erfolgrei-
cherer tschechischer Produktionen und auf den erstarkenden Einfluss der
Olmützer Tschechen kam es zu einer Transformation des Stadttheaters mit
198
Zusammenfassung
Das Provinztheater in Olmütz war Bestandteil eines dichten Netzes aus
Theatern, in denen die Künstler der Habsburger Monarchie während ei-
ner Zeit von mehr als hundert Jahren umherreisten. Obwohl sich die The-
atergesellschaft mit ihrem Theaterdirektor bzw. –Theaterunternehmer an
der Spitze in dem betreffenden steinernen Stadttheater beinahe alle sechs
Jahre – in Krisenzeiten auch noch häufiger – veränderte, handelte es sich
meistens um keinen grundsätzlichen Wandel, und zwar gerade dank der
einzigartigen Organisation der österreichischen Theater im mitteleuropä-
ischen Raum. Die Provinzbühnen verfügten über eine ähnliche Ensemb-
lezusammensetzung und boten ein ähnliches Repertoire an. Dabei lag es
ganz an den Bedingungen der Stadt, zu denen sie einen fähigen Direk-
tor anlocken konnte. Aus diesen Umständen heraus entwickelte sich dann
der Reichtum des Theaterfundus‘ und die konkrete Zusammensetzung
eines Ensembles. Am Beispiel der Olmützer Opernszene zeigen wir, wel-
che Bindungen Olmütz unterhielt; besondere Aufmerksamkeit wird dabei
den Verbindungen zwischen Olmütz, Marburg und Laibach gewidmet. In
den Biographien vieler Olmützer Direktoren figurieren Laibach oder auch
Marburg als Orte vorübergehender Engagements am Theater: Olmütz wur-
de somit zu einer weiteren Umsteigestation auf dem Weg zu bedeutende-
ren Direktorenposten in Deutschland. Der erste Teil des Beitrags unter-
sucht die Situation, in welcher sich das Olmützer Theater mit dem Einfluss
der tschechischen Theater- bzw. Vereinsgesellschaften zurechtfinden muss-
te, als auch tschechische Werke in das Opernrepertoire des Theaters ka-
men, das sich in einer Umgebung stark empfundenen großdeutschen Patri-
otismus‘ befand. Olmütz kann in dieser Hinsicht als modellhaftes Beispiel
der Entstehung des tschechischen nationalen Theaters durch das österrei-
chische Provinzthetaer dienen. Doch ab den 1880er Jahren radikalisierten
sich die nationalen Zwistigkeiten zwischen der tschechischen Minderheit
und der deutschen Mehrheit in der Stadt. Für eine tschechische Produkti-
on im Stadttheater war bereits kein Platz mehr und die Tschechen bauten
ein alternatives tschechisches Theater auf, das zwar nicht vollkommen pro-
fessionell arbeitete, in dem jedoch tschechische Opern erklangen. Nun kam
es zu einer Situation, die sich zu den 50er und 60er Jahren des 19. Jahrhun-
derts umgekehrt verhielt. In Reaktion auf die Konkurrenz immer erfolgrei-
cherer tschechischer Produktionen und auf den erstarkenden Einfluss der
Olmützer Tschechen kam es zu einer Transformation des Stadttheaters mit
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