Page 76 - Weiss, Jernej, ur. 2019. Vloga nacionalnih opernih gledališč v 20. in 21. stoletju - The Role of National Opera Houses in the 20th and 21st Centuries. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 3
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vloga nacionalnih opernih gledališč v 20. in 21. stoletju

sprechend gab der Bürgermeister Dr. Lueger nach Beethovens Ouverture
„Die Weihe des Hauses“ und Schuberts „Festhymne“ auch der Hoffnung
Ausdruck, daß „dieses Haus hoffentlich eine Stätte sein werde, auf wel-
cher sich die wirklichen Wiener auch wirklich heimisch fühlen. Möge die-
se deutsche Kunstanstalt fürderhin ein Wahrzeichen der Liebe zum Kaiser-
haus, ein Denkmal deutscher Wiener Bürger sein.“19

Die erste „normale“ Vorstellung fand dann am 15. Dezember mit zwei
Stücken statt. Zuerst erwies man dem „genius loci“ mit einem neuen Stück
von Franz Wolff seine Reverenz: „An der Währinger Linie“, ein Volksstück
mit den typischen Wiener Originalen, dann folgte mit der „Hermanns-
schlacht“ von Heinrich Kleist die Verbeugung vor dem deutschnationalen
Publikum, und auch in den nächsten Jahren versuchte man, „Volkstüm-
liches“ und „Nationales“ zu verbinden. Einige Dramen-Titel mögen das ver-
deutlichen: „Der Sohn der Wildniß“ (Halm), „Eine Liebesheirat“ (Baum-
berg), Operette „Der barmherzige Bruder“ (Millöcker), Oper „Turandot“
(Weber), „Der Pfarrer von Kirchfeld“ (Anzengruber), „Hofgunst“ (Trotha),
„Der verwunschene Prinz“ (Plötz), „Der Stephansplatz“ (Neidhart), „Um’s
tägliche Brot“ (Antony, Musik Mestrozzi), „Pension Schöller“ (Laufs), „Der
Wirrwarr“ (Kotzebue), „Glück auf“ (Mara v. Berks), „Tiberius Gracchus“
(Barth) usw.

Unabhängig von der Tätigkeit des „Kaiserjubiläums=Stadttheaters“
fand am 30. September 1900 eine außerordentliche General=Versamm-
lung der österreichischen „Musikverlags= und Sortiments=Actiengesell-
schaft ,Wiener Musikverlagshaus‘“ statt, bei der nicht nur beschlossen wur-
de, „eine Fachschule für Lehrlinge zu errichten“, sondern auch das Project
zur Gründung einer „Volksoper“ ins Leben gerufen wurde.20 Nach einigen
weiteren Überlegungen verkündete man das ab Februar 1901 in mehreren
Zeitungen in großen Anzeigen:

Wiener Volksoper
Die Oesterreichische Musik=Verlags= und Sortiments=Actien=Gesell-
schaft „Wiener Musik=Verlagshaus“, vorm. F. Rörich, hat in ihrer Gene-
ral=Versammlung vom 30. September 1900 beschlossen, in die Vorarbei-
ten zur Gründung eines Vereines behufs Erbauung einer Wiener Volksoper
einzugehen,[!] Dieser Beschluß fand vollsten Beifall in der musikfreudigen
Wiener Bevölkerung.

19 Das Vaterland Nr. 341, 11. December 1898, S. 10.
20 Neue Freie Presse Nr. 12 969, 1. October 1900, S. 6.

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