Page 79 - Weiss, Jernej, ur. 2019. Vloga nacionalnih opernih gledališč v 20. in 21. stoletju - The Role of National Opera Houses in the 20th and 21st Centuries. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 3
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die wiener volksoper als „nationale spielstätte“
Einem nicht existierenden Genre, für das es weder Produzenten
noch Reproduzenten gibt, will man einen Tempel bauen! Und noch
dazu selbstverständlich auf jener opferwilligen Basis, welche unter
eine vierprozentige Verzinsung des Anlagekapitals nicht herabgeht.
[...]“22
Die Planung schritt aber weiter fort. „An den Wiener Gemeinderat
[wurde] eine Eingabe [...] um Überlassung des im Bezirke Hernals gele-
genen Platzes zwischen der Ottakringerstraße, der Zimmermanngasse und
dem inneren Gürtel [gerichtet] [...] zirka 3400 Quadratmeter“. Als Gründe
für die Errichtung einer Volksoper wurden die Punkte der Anzeige wie-
derholt, zusätzlich wies man aber darauf hin, daß man insbesondere „die
Production speziell auf dem Gebiete der volkstümlichen Oper unter Zu-
grundelegung irgend eines vaterländischen-historischen und nicht in letz-
ter Linie eines lokalwienerischen Sujets kräftigst fördern“ wolle.23
Am 16. Jänner 1903 fand dann die „constituirende Generalversamm-
lung“ des „Wiener Volksoper=Theatervereines“24 statt, in der u. a. her-
vorgehoben wurde, daß die „volksthümlichen Werke unserer alten Mei-
ster durch einfache, liebliche, herzinnige Weisen glänzen“ und daß diese
Musik „nicht in ein Haus paßt, das solche Dimensionen aufzuweisen hat,
wie unser Hofoperntheater“. Das „projectirte Volksopernhaus“ müsse viel-
mehr ungefähr so groß wie das „Kaiserjubiläums=Stadttheater oder das
Deutsche Volkstheater“ sein.25 Und selbstverständlich „müßte die Gemein-
de in der Verwaltung des Vereines vertreten sein, ,wobei den Wünschen
des Gemeinderates voll und ganz zu entsprechen wäre‘“.26 – Am 9. Febru-
ar wurde der Verein dann beim Bürgermeister Dr. Lueger vorstellig, der
„die Ueberreichung einer Eingabe an die Gemeinde behufs Erwerbung
eines Baugrundes empfahl“,27 doch gab es hier Probleme, sodaß der Plan
geboren wurden, „die Volksoper in ein schon bestehendes Schauspielhaus
zu verlegen, wo ihre Vorstellungen mit den Schauspielen und Lustspielen,
Volksstücken und Possen, die bisher das Repertoire dieser Bühne bildeten,
abwechseln könnten.“ Und man verhandelte „mit dem Director des Kaiser-
jubiläums=Stadttheaters“ Müller=Guttenbrunn, „das Theater dem Vereine
22 Innsbrucker Nachrichten Nr. 173, 30. Juli 1902, S. 2.
23 Wiener Zeitung Nr. 236, 12. October 1902, S. 4.f
24 Neues Wiener Journal Nr. 3315, 18. Jänner 1903, S. 7.
25 Illustrirtes Wiener Extrablatt Nr. 18, 18. Jänner 1903, S. 8.
26 Hans Jörgl’s Fliegende Blätter 72 (1903), 25. Jänner 1903, S. 4.
27 Das Vaterland Nr. 41, 11. Februar 1903, S. 4.
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Einem nicht existierenden Genre, für das es weder Produzenten
noch Reproduzenten gibt, will man einen Tempel bauen! Und noch
dazu selbstverständlich auf jener opferwilligen Basis, welche unter
eine vierprozentige Verzinsung des Anlagekapitals nicht herabgeht.
[...]“22
Die Planung schritt aber weiter fort. „An den Wiener Gemeinderat
[wurde] eine Eingabe [...] um Überlassung des im Bezirke Hernals gele-
genen Platzes zwischen der Ottakringerstraße, der Zimmermanngasse und
dem inneren Gürtel [gerichtet] [...] zirka 3400 Quadratmeter“. Als Gründe
für die Errichtung einer Volksoper wurden die Punkte der Anzeige wie-
derholt, zusätzlich wies man aber darauf hin, daß man insbesondere „die
Production speziell auf dem Gebiete der volkstümlichen Oper unter Zu-
grundelegung irgend eines vaterländischen-historischen und nicht in letz-
ter Linie eines lokalwienerischen Sujets kräftigst fördern“ wolle.23
Am 16. Jänner 1903 fand dann die „constituirende Generalversamm-
lung“ des „Wiener Volksoper=Theatervereines“24 statt, in der u. a. her-
vorgehoben wurde, daß die „volksthümlichen Werke unserer alten Mei-
ster durch einfache, liebliche, herzinnige Weisen glänzen“ und daß diese
Musik „nicht in ein Haus paßt, das solche Dimensionen aufzuweisen hat,
wie unser Hofoperntheater“. Das „projectirte Volksopernhaus“ müsse viel-
mehr ungefähr so groß wie das „Kaiserjubiläums=Stadttheater oder das
Deutsche Volkstheater“ sein.25 Und selbstverständlich „müßte die Gemein-
de in der Verwaltung des Vereines vertreten sein, ,wobei den Wünschen
des Gemeinderates voll und ganz zu entsprechen wäre‘“.26 – Am 9. Febru-
ar wurde der Verein dann beim Bürgermeister Dr. Lueger vorstellig, der
„die Ueberreichung einer Eingabe an die Gemeinde behufs Erwerbung
eines Baugrundes empfahl“,27 doch gab es hier Probleme, sodaß der Plan
geboren wurden, „die Volksoper in ein schon bestehendes Schauspielhaus
zu verlegen, wo ihre Vorstellungen mit den Schauspielen und Lustspielen,
Volksstücken und Possen, die bisher das Repertoire dieser Bühne bildeten,
abwechseln könnten.“ Und man verhandelte „mit dem Director des Kaiser-
jubiläums=Stadttheaters“ Müller=Guttenbrunn, „das Theater dem Vereine
22 Innsbrucker Nachrichten Nr. 173, 30. Juli 1902, S. 2.
23 Wiener Zeitung Nr. 236, 12. October 1902, S. 4.f
24 Neues Wiener Journal Nr. 3315, 18. Jänner 1903, S. 7.
25 Illustrirtes Wiener Extrablatt Nr. 18, 18. Jänner 1903, S. 8.
26 Hans Jörgl’s Fliegende Blätter 72 (1903), 25. Jänner 1903, S. 4.
27 Das Vaterland Nr. 41, 11. Februar 1903, S. 4.
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