Page 212 - Stati inu obstati, revija za vprašanja protestantizma, letnik XVII (2021), številka 34, ISSN 2590-9754
P. 212
povzetki, SYNOPSES, ZUSAMMENFASSUNGEN

Interkonfessionelle Koexistenz in der Region Podravje in der Frühen Neuzeit:
Der Fall der protestantischen Mädchenschule von Anna Totting
in der Gegenreformation
Im Beitrag wird auf der Grundlage der neuesten Forschungen zum interkonfessio-
nellen Zusammenleben im Europa der Frühen Neuzeit die These aufgestellt, dass fami-
liäre, nachbarschaftliche, ständische und wirtschaftliche Beziehungen in der unterstei-
rischen Region Podravje im 16. und 17. Jahrhundert auch ein friedliches Zusammenle-
ben zwischen Katholiken und Protestanten ermöglichten. Der Beitrag konzentriert sich
auf die landesfürstlichen Städte Ptuj (Pettau) und Maribor (Marburg an der Drau) und
zeigt, dass die Bürger beider Städte mit ihren „häretischen Nachbarn“ bis tief in die ers-
te Hälfte des 17. Jahrhunderts trotz konfessioneller Spaltung und staatlicher Verfolgung
in der Regel friedliche Beziehungen pflegten. Es scheint, dass die Pfarrkirche in Mari-
bor während der meisten Zeit in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, als die bürger-
liche Elite überwiegend protestantisch war, „simultan“ war. Im benachbarten Ptuj war
das Bürgertum gleichmäßiger unter den Konfessionen aufgeteilt, eine Tatsache, die sich
anscheinend auch im Stadtrat widerspiegelte, in dem Sitze nach der „Parität“ zwischen
Katholiken und Protestanten verteilt wurden. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts wur-
de das interkonfessionelle Zusammenleben in beiden Städten durch die landesfürstli-
che Gegenreformation gefährdet, doch schlossen sich die lokalen Machthaber der Ver-
folgung und Bekehrung ihrer protestantischen Nachbarn erst unter größtem Druck der
staatlichen Konfessionalisierungsbemühungen an. Da aber der Landesfürst vor allem
mit der politischen Unterordnung der innerösterreichischen protestantischen Oppo-
sition beschäftigt war, verlor seine Rekatholisierungspolitik vor allem auf lokaler Ebe-
ne schnell an Kraft. Um ihre von der landesfürstlichen Politik bedrohte Autonomie und
Autorität zu wahren, versuchten die Stadtbehörden, die Existenz ihrer „sektiererischen“
Nachbarn zu „verbergen“, um weitere Eingriffe zu verhindern. Eine solche Politik in bei-
den Städten wurzelte in der Toleranz oder zumindest Gleichgültigkeit der meisten Ka-
tholiken gegenüber ihren protestantischen Nachbarn, die auf unterschiedlichen sozi-
alen Beziehungen begründet war, welche die konfessionellen Unterschiede beim Bür-
gertum, insbesondere der bürgerlichen Elite, überbrückten. Dies verhinderte bis An-
fang der 1630er-Jahre den Erfolg gegenreformatorischer Verordnungen, konnte aber auf
Dauer nicht erfolgreich sein. Ein prominentes Beispiel für die lange Jahre vorhandene
„praktische Toleranz“ war die protestantische Mädchenschule von Anna Totting im frü-
hen 17. Jahrhundert in Ptuj. Obwohl die landesfürstliche Gegenreformation Druck aus-
übte, ermöglichte die interkonfessionelle familiäre und nachbarschaftliche Solidarität,
dass die Schule fast ein Jahrzehnt lang ihrer Tätigkeit nachgehen konnte.
Schlüsselwörter: interkonfessionelles Zusammenleben, Reformation, Gegenrefor-
mation, Anna Totting, Podravje-Region

420
   207   208   209   210   211   212   213   214   215   216   217