Page 84 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2023. Glasbena društva v dolgem 19. stoletju: med ljubiteljsko in profesionalno kulturo ▪︎ Music societies in the long 19th century: Between amateur and professional culture. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 6
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glasbena društva v dolgem 19. stoletju: med ljubiteljsko in profesionalno kulturo

lich professionelle Musiker, manche von ihnen werden im vorliegenden Ar-
tikel etwas ausführlicher in nächstem Punkt dargestellt.

Zweitens: die Leiter und Direktoren des Vereins waren immer hoch-
professionelle Künstler mit bester Ausbildung. Der erste Direktor Johannes
Ruckgaber (1799–1876) studierte in Wien bei Johann Nepomuk Hummel,
dann in Paris, wo er mit Franz Liszt befreundet war. Johannes Ruckgaber
stellt das Beispiel eines aus Wien stammenden, deutschsprachigen Musi-
kers dar, der sich in die örtlichen Traditionen Lembergs, der galizischen
Hauptstadt, integriert hat. An seinem Wirken lassen sich Vorteile und
Nachteile der föderativen Einordnung professioneller und liebhaberischer
Musikaktivitäten ablesen und die historische Relativität gesellschaftlicher
Akzeptanz und Anerkennung zu verschiedenen Zeiten erkennen.

Johannes (Jean) Ruckgaber (1799–1876)10 wurde als Sohn französischer
Emigranten in Wien geboren. Sein wahrer Geburtsname war Jean de Mon-
talbot. Nach dem Tod seiner Eltern (1809) wurde er von seinem Gouver-
neur Joseph Ruckgaber adoptiert, der ihm seinen Familiennamen verlieh.
Er erreichte eine recht gute musikalische Ausbildung, zuerst als Pianist und
Komponist studierte bei dem Schüler von W. A. Mozart, bekannten Musi-
ker, Johann Nepomuk Hummel (es ist interessant, daß bei Hummel auch F.
X. Mozart studierte, mit welchem später in Lemberg Ruckgaber oft zusam-
men konzertierte). In den 1820er Jahren kam er auf Konzertreisen als Pia-
nist öfters nach Lemberg, hier trat er solistisch auf und begleitete auch be-
kannte Geiger und Sänger, unter anderen den weltberühmten polnischen
Geiger Karol Lipiński. Am 24. Januar 1824 berichtet die deutschsprachige
Lemberger Zeitschrift Mnemosyne von einem Konzert, in dem er auf dem
Tritonium meisterhaft Variationen über das Thema der österreichischen
Kaiserhymne „Gott erhalte Franz der Kaiser“ gespielt habe.11 In dieser Zeit
führten ihn seine Konzertreisen in die europäischen Zentren, auch nach
Paris, wo er Frédéric (Fryderyk) Chopin persönlich kennenlernte.

1832 ließ sich Johannes Ruckgaber dauerhaft in Lemberg nieder und
begann seine segensreiche Tätigkeit. Viele seiner Veranstaltungen sind in

10 Allgemeine Informationen über Johannes Ruckgaber stammen grundsätzlich aus
dem Artikel: Wolodymyr Tokarčuk, „Забуте ім‘я“ [Ein vergessener Name], Музика
[Muzyka], Nr. 2 (1996): 25.

11 Zit. nach: Lidia Menyk, „Музичне життя Львова 1824 року у дзеркалі часопису
‚Mnemosyne‘“ [Das Lemberger Musikleben im Jahr 1824 im Spiegel der Zeitschrift
‚Mnemosyne‘], in Записки Музикознавчої комісії НТШ [Beiträge der musikwissen-
schaftlichen Komission der Wissenschaftlichen Gesellschaft „Taras Schewtschen-
ko“], No. 232, Hrsg. Juri Jasinovski (Lviv: Wissenschaftliche Gesellschaft Schewts-
chenko, 1996), 221.

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