Page 86 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2023. Glasbena društva v dolgem 19. stoletju: med ljubiteljsko in profesionalno kulturo ▪︎ Music societies in the long 19th century: Between amateur and professional culture. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 6
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glasbena društva v dolgem 19. stoletju: med ljubiteljsko in profesionalno kulturo

Ein besonderes Ereignis in der Musikgeschichte Lembergs stellt der
Besuch Franz Liszts im Jahre 1847 dar. Er geht auf die Initiative des Vereins
zurück und ist vor allem der persönlichen Bekanntschaft Ruckgabers mit
dem berühmten Pianisten zu verdanken. Ruckgaber kannte Liszt aus frühe-
ren Zeiten und veranlasste ihn, seine Reiseroute von Kiew nach Czernowitz
etwas zu verändern und Lemberg zu besuchen. Am 1. April 1847 kam Liszt
in Lemberg an. (D. Kolbin15 nennt den 13. April als Datum der Ankunft, die
Diskrepanzen ergeben sich aus dem Bezug auf den julianischen bzw. den
gregorianischen Kalender.) Ursprünglich wollte er nur drei Tage in der ga-
lizischen Hauptstadt verweilen; er blieb dann aber einen ganzen Monat,
erst am 30. April (nach Kolbin am 12. Mai) reiste er weiter nach Czernowitz.
Seine Ankunft, alle seine Konzerte und Begegnungen wurden in der Lem-
berger Presse ausführlich kommentiert. Schon bei Liszts Ankunft begrüß-
ten ihn die Mitglieder des „Vereins zur Beförderung der Tonkunst in Galizi­
en“ im Hotel „Rus’“, der besten Herberge der Stadt, wo sie zwei vermutlich
von Ruckgaber ihm zu Ehren verfasste Kantaten aufführten.

Die Revolution von 1848 schränkte die Tätigkeiten des Vereins für ei-
nige Zeit ein. Doch bereits 1851 wurde er wiederbelebt und im Jahre 1854
unter dem Namen „Verein der Musikerziehung in Galizien“ fortgeführt. In
den Jahren 1853/54 wurde ein Konservatorium gegründet und Ruckgaber
zum ersten Direktor gewählt. Er leitete dieses Musikinstitut drei Jahre lang,
dann, 1857, musste er aus gesundheitlichen Gründen die anstrengenden or-
ganisatorischen Arbeiten aufgeben. Er widmete sich fortan kompositori-
schen und pädagogischen Aufgaben. Im Jahre 1876 verstarb Ruckgaber; er
wurde in Lemberg beerdigt.

Sein Nachfolger Karol Mikuli (1819–1897) war ein Schüler und Assistent
von Fryderyk Chopin während dessen letzten Pariser Jahren, ein Gründer
einer eigenen Klavierschule in Lemberg, die sich vor allem in der Interpre-
tation von Chopins Musik spezialisierte In Czernowitz in eine wohlhaben-
de Kaufmannsfamilie geboren, Mikuli studierte zunächst Medizin an der
Universität Czernowitz (1838–1844), beschloß aber bald, sein Musikstudium
in Paris (1844–1847) fortzusetzen. Neben privaten Studien bei Chopin ab-
solvierte er einen Kurs für Kontrapunkt und Komposition bei N. A. Reber

15 Dmitri Kolbin, „Виступи Франца Ліста у Львові“ [Die Auftritte von Franz Liszt in
Lemberg], in Musica Galiciana. Kultura muzyczna Galicji w kontekście stosunków
polsko-ukraińskich (od doby piastowsko-książęcej do roku 1945) [Musica Galiciana.
Musikkultur Galiziens im Kontext der polnisch-ukrainischen Beziehungen], Bd. 3,
Hrsg. Leszek Mazepa (Rzeszów: Wydawnictwo Wyższej Szkoły Pedagogicznej [Ver-
lag der Pädagogischen Hochschule], 1999), 189–96.

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