Page 85 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2023. Glasbena društva v dolgem 19. stoletju: med ljubiteljsko in profesionalno kulturo ▪︎ Music societies in the long 19th century: Between amateur and professional culture. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 6
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funktionen der musikvereine in einem multinationalen, soziokulturellen umfeld ...

der Presse, vor allem in der Zeitschrift Mnemosyne annonciert. Große Auf-
merksamkeit erregte die musikalische Akademie, die genannte „Serenade“,
die Ruckgaber im Herbst 1835 organisierte. Sie darf gewissermaßen als Ou-
vertüre zur Gründung des „Vereins zur Beförderung der Tonkunst in Gali­
zien“12 betrachtet werden, den Ruckgaber im folgenden Jahr ins Leben rief.13
Ruckgaber nahm allmählich einen wichtigen Platz im Lemberger Musik-
leben ein.

Zusätzlich zu den Konzertveranstaltungen wandte sich der Verein
auch der Musikausbildung zu. Unter der Leitung von Ruckgaber wurden
Gesangskurse eingerichtet, in denen 16 Jungen und Mädchen unterrichtet
wurden. Am 15. Oktober 1840 eröffnete der Verein eine Ausbildungsstätte
für Gesang und Geige, in die sofort 40 Sänger und 20 Violinisten eintraten.
Auch eine Option für Unterricht in den Blasinstrumenten wurde eröffnet.14
Im November 1841 wurde die Abteilung für Blasinstrumente (Oboe, Klari-
nette und Waldhorn) eingerichtet; die erste Klasse bestand aus zwölf zwan-
zigjährigen Musikern. Die Aktivitäten des Vereins erweckten so großes all-
gemeines Interesse in adeligen und bürgerlichen Kreisen, dass Joseph Edler
von Mehoffer, der Chefredakteur der Mnemosyne, selbst gerne die Veran-
staltungen rezensierte. Dies alles war vor allem der unermüdlichen Ar-
beit Ruckgabers, seinem Enthusiasmus und seinen persönlichen Kontak-
ten zu den bekanntesten Künstlern Europas zu verdanken. Bis 1848, als er
zum Musikdirektor des Vereins ernannt wurde, leitete Ruckgaber das sym-
phonische Orchester, das Blasorchester und auch die Chöre, er schuf die
Grundvoraussetzungen für eine professionelle Musikausbildung und da-
mit für ein Musikleben nach europäischem Muster in Lemberg. Der „Ver­
ein zur Beförderung der Tonkunst in Galizien“ leistete damit auf dieser ers-
ten Etappe seiner Existenz unter der Leitung Ruckgabers Erhebliches; die
Jahre von 1842 bis 1848 dürfen als Blütezeit des Vereins bezeichnet werden.

12 Der Verein trug nacheinander verschiedene Namen: „Verein zur Beförderung der
Tonkunst in Galizien“, „Galizischer Verein der Musikfreunde“ u. a. Am längsten
(1854–1919) existierte der Verein als „Galizischer Musikverein“, polnisch: „Galicyj-
skie Towarzystwo Muzyczne“ (GTM).

13 Mnemosyne, Nr. 76 (6. Oktober 1835), zit. nach: Lidia Melnyk, „Концертне життя
Львова 1824.1840 в дзеркалі часопису ‚Mnemosyne‘“ [Das Lemberger Konzertle-
ben 1824–1840 im Spiegel der Zeitschrift ´Mnemosyne´], in Musica Galiciana. Mu­
sikkultur Galiziens im Kontext der polnisch-ukrainischen Beziehungen, Bd. 3, Hrsg.
Leszek Mazepa (Rzeszów: Wydawnictwo Wyższej Szkoły Pedagogicznej [Verlag der
Pädagogischen Hochschule], 1999), 223.

14 Mnemosyne, Nr. 84 (19. Oktober 1839): 336, zit. nach: Melnyk, „Das Lemberger Kon-
zertleben“, 226.

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