Page 32 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2025. Glasbena interpretacija: med umetniškim in znanstvenim┊Music Interpretation: Between the Artistic and the Scientific. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 8
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ohne Unterbrechung bis in das Jahr 1819 zurück, also bis zur Gründung des
Konservatoriums der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien (des Vorläu-
fers der heutigen Universität für Musik und darstellende Kunst Wien) und
somit bis in die Beethovenzeit. Es ist die wichtigste und innerhalb des Or-
chesters am meisten diskutierte Frage, diesen Klang in seiner Individua-
lität und Traditionalität zu erhalten und andererseits den Anforderungen
des Zeitenwandels zu entsprechen.
Tradition hat für die Wiener Philharmoniker auch eine Verpflichtung,
die über das „bloße“ Musizieren hinausgeht. Die zutiefst humane Botschaft
der Kunst beruht im Wesentlichen darauf, uns mittels des Ringens um
Vollkommenheit vor Augen zu führen, dass es in ethischer Hinsicht nach
oben keine Grenzen gibt. Aus diesem Grund ist der private Verein Wiener
Philharmoniker darum bemüht, karitativ, sozial und kulturell tätige Insti-
tutionen zu unterstützen, wobei es nicht nur um die materielle Hilfe geht,
sondern oft auch darum, ein Anliegen in das Bewusstsein einer breiten Öf-
fentlichkeit zu rücken. In diesem Sinne wurde beispielsweise die Austrian
Aid for landmine victims ebenso unterstützt wie die Opfer der Tsunami-
Katastrophe in Südostasien am 26. Dezember 2004 oder die Erforschung
genetischer Erkrankungen, in diesem Sinne gibt es auch eine langfristige
Kooperation mit der American Austrian Foundation, die sich mit größtem
Erfolg der Weiterbildung von jungen Ärztinnen und Ärzten aus mittler-
weile rund 130 Ländern bemüht.
Ob Bemühen um künstlerische Vollkommenheit, ob Erfüllung huma-
nitärer Prinzipien – mit beidem wird versucht, dem Motto jenes Kompo-
nisten gerecht zu werden, dessen symphonisches Werk vor 182 Jahren die
Gründung der Wiener Philharmoniker zu einer Notwendigkeit machte. Es
sind dies die Worte, die Ludwig van Beethoven seiner Missa solemnis vor-
anstellte: „Von Herzen – Möge es wieder – zu Herzen gehn!“ In dieser Bot-
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schaft liegt die Antwort auf viele brennende Probleme, und es muss den
Wiener Philharmonikern ebenso wie allen kulturell tätigen Menschen Ver-
pflichtung sein, sie zu verbreiten und damit in einer Welt, die in vielen Tei-
len in Hass, Krieg, Terror, Armut, Ungerechtigkeit und Umweltkatastro-
phen zu versinken droht, Hoffnung auf eine bessere Zukunft zu verbreiten.
Die Hoffnung auf ein Leben in sozialer und materieller Sicherheit, in
Selbstbestimmung und Freiheit! Jenes Ziel also, das bereits die philharmo-
nischen Gründungsväter unbewusst verfolgten, wie dies im Jahre 1844 ein
3 Ludwig van Beethoven, Missa solemnis, Anfang des Kyrie, Autograph,
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Beethoven,_Missa_solemnis,_Kyrie.jpg.
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