Page 39 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2025. Glasbena interpretacija: med umetniškim in znanstvenim┊Music Interpretation: Between the Artistic and the Scientific. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 8
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der dirigent. anspruch und wirkung
breiten öffentlichen Bedürfnis entsprochen, denn bereits 1881 stand in der
Rezension eines der umjubelten Gastkonzerte von Benjamin Bilse in der
Central-Halle zu Leipzig:
Bilse hat seine Leute, so zu sagen, am Schnürchen, wie Marionetten lei-
tet er sie nach seinem Willen hierhin und dahin, kurz, er ist in seinem
Reiche unumschränkter Herrscher, – und so muß es sein. 13
Dahinter steht die Vorstellung, dass ein Dirigent sein Orchester be-
herrschen müsse wie ein Virtuose sein Instrument. So schrieb Bruno
14
Walter über Hans von Bülow:
Nun aber sah ich die Erfülltheit und Willensspannung in Bülows Ge-
sicht, spürte die zwingende Kraft seiner Geste, gewahrte die Aufmerk-
samkeit und Hingabe, die Ausdrucksenergie und Präzision im Spiel
des Orchesters, und zugleich wurde mir klar, daß es dieser eine Mann
da war, der musizierte und jene hundert Ausführenden zu seinem Ins-
trument gemacht hatte, auf dem er spielte, wie ein Pianist auf dem
Klavier. 15
Als erste Vertreter des von Liszt und Wagner ausgehenden Dirigenten-
typus werden meist folgende Namen genannt: Hans von Bülow, Hans Rich-
ter, Arthur Nikisch, Felix Mottl, Gustav Mahler, Felix Weingartner und Ri-
chard Strauss. 16
Felix Mendelssohn Bartholdy als Gewandhauskapellmeister taucht
in dieser Reihe nicht auf, überhaupt wird er in der Geschichtsschreibung
des modernen Dirigenten nur wenig genannt. Dies verdankt er Wagner,
der durch seinen „Vorwurf der gefälligen Oberflächlichkeit, der heiteren
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Verharmlosung und der klassizistischen Glätte“ Mendelssohn nachhaltig
13 Moriz Vogel, „Concert B. Bilse. Leipzig, 7. Mai“, Leipziger Tageblatt, 8. Mai 1881,
2047.
14 Gutknecht, „Richard Wagner: »Über das [mein] Dirigiren«“, 15.
15 Zitiert nach Norman Lebrecht, Der Mythos vom Maestro (Zürich-St. Gallen: M&T
Verlag, 1993), 34f.
16 Christoph Moor, „„Und spurlos verschollen ist hiervon die Tradition“. Die Auf-
führungs- und Rezeptionsgeschichte von Mozarts Jupiter-Sinfonie im Prisma der
Wagnerschen Dirigier- und Interpretationsästhetik bis zum Einsetzen der histo-
risch informierten Aufführungspraxis“ (Inauguraldissertation, Philosophisch-his-
torischen Fakultät der Universität Bern, 2019), https://biblio.unibe.ch/download/el-
diss/19moor_ch.pdf.
17 Hans-Joachim Hinrichsen, „»Tempo, Tempo, meine Herrn«. Mendelssohn als
Dirigent“, in Mendelssohns Welten: Zürcher Festspiel-Symposium 2009, Hrsg. Lau-
renz Lütteken (Kassel u.a.: Bärenreiter, 2010), 78.
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