Page 60 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2025. Glasbena interpretacija: med umetniškim in znanstvenim┊Music Interpretation: Between the Artistic and the Scientific. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 8
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            und daher wollte er auch das Pedal nur sehr sparsam, nur für spezielle Ef-
            fekte eingesetzt wissen, bestenfalls, um anders nicht realisierbare Bindun-
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            gen zu ermöglichen.  Vor allem galt ihm, wie auch allen Pianisten der Wie-
            ner Schule, die sich gegen die „Überschwemmung der Musik mit Pedal“
            aussprachen, als erstes und wichtigstes Gebot: Nie dürfen zwei Noten, die
            vom Satz her nicht zusammen erklingen sollen, das durch brutalpianisti-
            sche Pedalisierung doch tun. 27
                 In meinem Aufführungspraxis-Institut haben mit Peter Stadlen und
            Karl Steiner noch zwei Schüler der Wiener Schule Interpretations-Work-
            shops zur Klaviermusik der Wiener Schule gehalten. (Ihre diesbezüglichen
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            Vorträge sind in den Kongreßberichten abgedruckt.)  Peter Stadlen, der
            Weberns Variationen op. 27 1937 uraufführte und deren Interpretation ge-
            meinsam mit dem Komponisten erarbeitete, hat in dem Workshop eine
            männliche Klavier-Diva nach deren Begleitung eines Schönberg-Liedes ge-
            fragt: „Sagen Sie, haben Sie ein Fußleiden?“ Und nach dessen entrüsteter
            Verneinung kam die Erklärung: „Ja, weil Sie ihren rechten Fuß fast nie vom
            Pedal heben.“ Und dann bat er um die Aufführung des Liedes ohne jedwe-
            den Pedalgebrauch. Nach der widerwilligen Befolgung der Bitte sagte Stad-
            len: „Ja, jetzt war es Schönberg.“
                 Ja, und dasselbe gilt natürlich etwa für Bach. So sollten etwa im „Wohl-
            temperierten Klavier“, das, wenn es auf einem modernen Klavier gespielt
            26   So schrieb Schönberg u. a. (am 13. ?) August 1909 an Ferruccio Busoni: „Weg von der
                 Harmonie als Cement oder Baustein einer Architektur“. Jutta Theurich, „Briefwech-
                 sel zwischen Arnold Schönberg und Ferruccio Busoni 1903–1919 (1927)“, in Beiträge
                 zur Musikwissenschaft, Hrsg. Verband der Komponisten und Musikwissenschaftler
                 der DDR, 19. Jg., Heft 3 (1977): 163–211, hier 171.
            27   Karl Steiner, „Zur Aufführungspraxis der Musik der „Wiener Schule““, in An: Karl
                 Steiner, Shanghai. Briefe ins Exil an einen Pianisten der Wiener Schule (= Schriften
                 des Wissenschaftszentrums Arnold Schönberg, Hrsg. Hartmut Krones, Band 4), Hrsg.
                 Hartmut Krones (Wien, Köln, Weimar: Böhlau, 2013), 85–100, hier 89.
            28   Peter Stadlen, „Die von Schönberg intendierte Aufführungsart der Sprechstimme
                 im „Pierrot Luniare““, in Stimme und Wort in der Musik des 20. Jahrhunderts (=
                 Wiener Schriften zur Stilkunde und Aufführungspraxis, Sonderreihe „Symposien zu
                 WIEN MODERN“, Hrsg. Hartmut Krones, Band 1) (Wien, Köln, Weimar: Böhlau,
                 2001), 109–26; Steiner, Zur Aufführungspraxis“, 89; Karl Steiner, „Persönliche und
                 musikalische Erinnerungen an Komponisten der „Zweiten Generation der Wiener
                 Schule““, in An: Karl Steiner, Shanghai. Briefe ins Exil an einen Pianisten der Wie-
                 ner Schule (= Schriften des Wissenschaftszentrums Arnold Schönberg, Hrsg. Hart-
                 mut Krones, Band 4), Hrsg. Hartmut Krones (Wien, Köln, Weimar: Böhlau, 2013),
                 101–12; Karl Steiner, „Persönliche Erinnerungen eines Schülers der „Wiener Schu-
                 le““, in An: Karl Steiner, Shanghai. Briefe ins Exil an einen Pianisten der Wiener Schu-
                 le (= Schriften des Wissenschaftszentrums Arnold Schönberg, Hrsg. Hartmut Krones,
                 Band 4), Hrsg. Hartmut Krones (Wien, Köln, Weimar: Böhlau, 2013), 113–20.


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