Page 68 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2025. Glasbena interpretacija: med umetniškim in znanstvenim┊Music Interpretation: Between the Artistic and the Scientific. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 8
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erwähnt diese Sache mit besonderer Dankbarkeit; er findet darin die
erste Brücke zu seinem heutigen musikalischen Empfinden und den
fruchtbarsten Boden für jede musikalische Entwicklung. 5
Also – von wegen Wiener Schule – als E. Steuermann im Jahr 1926 die
Atelierwohnung in der Jaurèsgasse 10 im 3. Bezirk bezieht und dort regel-
mäßig Privatunterricht erteilt, blieb er von jeglichen Einflüssen der klassi-
schen Wiener Klavierschule im Sinne Emil Sauers bzw. Paul Weingartens
fern, einerseits weil seine Pädagogen V. Kurz und F. Busoni auch niemals
im Bezug zu dieser stand, andererseits wurde ihm auch der „offizielle“ Un-
terricht an der Akademie für Musik und darstellende Kunst verweigert.
Zur gleichen Zeit und dann weiter in den 1930en Jahren kam er regelmäßig
mit seinen Konzerten und privaten Meisterkursen nach Krakau und nach
Lemberg.
Diese Veranstaltungen zogen natürlich auch gleichzeitig größere An-
zahl Lemberger herangehender Pianisten an, um ihre Ausbildung bei Steu-
ermann auch in Wien zu erweitern. Aber nicht nur: unter Steuermanns
Mitschüler beim Vilém Kurz befand sich der ukrainische Komponist, Pi-
anist und Musikkritiker Wassyl Barwinskyj, der sich im Laufe der Zeit als
großer Adept E. Steuermanns erwies. Das lässt sich aus den seinen Rezen-
sionen zu Steuermanns Konzerten erkennen, aber auch aus seinen Empfeh-
lungen, die er den begabtesten Schülerinnen (in diesem Fall meistens Schü-
lerinnen) und Schülern gab: „Ein Jahr lang bei dem berühmten Pianisten
und Lehrer E. Steuermann Unterricht nehmen, bevor man die Akademie für
Musik und darstellende Künste betritt“. 6
Genau so machte es Barwinskis Schülerin Daria Hordynska-Kara-
nowych (1908–1999) (in der österreichischen Presse auch oft: Karanowicz-
Hordynska, Karanovics, Kranowicz). Sie hat ihre musikalische Ausbildung
zunächst in Lemberg am Lysenko-Hochschule für Musik erhalten, wo sie
von 1916 bis 1929 in der Klasse von Wassyl Barwinskyj studierte. Von 1929
bis 1930 nahm sie den Unterricht bei E. Steuermann. Es ist anzunehmen,
dass D. Hordynska keine Schwierigkeiten hatte, von ihrem Studium bei W.
Barwinsky zu E. Steuermann zu wechseln, da sie dort mit den gleichen Me-
thoden, die ihre Lehrer von Kurz übernommen haben, konfrontierte, aller-
dings mit höheren Anforderungen an die Virtuosität:
5 Eduard Steuermann, „Vilém Kurz (k 60 narozeninam) [Vilém Kurz (zum 60. Ge-
burtstag)]“, Tempo: Listy hudebni matice 12, Nr. 5 (1933): 163.
6 Daria Hordynska-Karanovych, „Українська музика у Bідні: cпогади [Ukrainische
Musik in Wien: Erinnerungen]“, in Ukrainskyi muzychnyi arkhiv: dokumenty i ma-
terialy z istorii ukrainskoi muzychnoi kultury (Kyiv: Centr muz.inform., 1995), 216.
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