Page 20 - Weiss, Jernej, ur. 2019. Vloga nacionalnih opernih gledališč v 20. in 21. stoletju - The Role of National Opera Houses in the 20th and 21st Centuries. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 3
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vloga nacionalnih opernih gledališč v 20. in 21. stoletju
mierten? Wie korrespondieren diese – oft Auftragswerke – mit dem an-
deren Programm? Die an einzelnen Fallbeispielen zu überprüfende Aus-
gangshypothese ist, dass diese in den Spielplänen auftauchenden Werke
dazu dienen, das Image der Institution zu modernisieren, ohne Konflikte
mit den Musikerinnen und Musikern und dem klassisch orientierten Pu-
blikum zu provozieren: dass also weniger tiefgreifende künstlerische als
imagebildende Faktoren für die Programmierung den Ausschlag geben.
Theo Hirsbrunner hat in einem ähnlichen Sinne den Kritikpunkt ange-
deutet, dass die jährlichen Uraufführungen in der Pariser Oper mitunter
den Anschein einer gewissen Beliebigkeit erwecken.1 Inwieweit diese Stra-
tegie mit dem häufig proklamierten Anspruch der zeitgenössischen Musik,
eine gesellschaftskritische Dimension zu kultivieren, in Konflikt tritt bzw.
diesen als unrichtig entlarvt, ist einer der Diskussionspunkte, die behan-
delt werden. Methodisch sollen nicht die Ergebnisse statistischer Auswer-
tungen im Zentrum stehen, sondern die Reflexion aktueller Programmie-
rungen anhand der Analyse einzelner Fallbeispiele. Was letztlich in Frage
steht, ist das Innovationspotential und der gesellschaftspolitische Wert von
Oper und Musiktheater.
Einleitung: Methodik und Forschungsstand
Geht es um die Frage nach dem Neuen, nach dem Innovationspotential der
Oper bzw. des Musiktheaters, sprechen mehrere Gründe für einen institu-
tionsgeschichtlichen Ansatz. Im Besonderen für das 20. Jahrhundert ist die
traditionelle Perspektive auf die Musikgeschichte als Geschichte der Kom-
ponisten und ihrer Werke oder der musikalischen Gattungen und Formen
problematisch. Viele künstlerische Entwicklungen deuten auf die Auflö-
sung der Gattungen hin, zugunsten einer „emphatischen Werkästhetik“
und einer Tendenz zur „Entgrenzung traditioneller Formbegriffe“.2 Zudem
kann von einer fortschreitenden Institutionalisierung des Musiklebens im
20. Jahrhundert gesprochen werden. Auch befördert das Interesse für Netz-
1 Theo Hirsbrunner, „Musiktheater der Gegenwart. Eine tour d’horizon“, in: Jürgen
Kühnel, Ulrich Müller und Oswald Panagl, ed., Musiktheater der Gegenwart. Text,
Komposition, Rezeption und Kanonbildung (Salzburg: Mueller-Speiser, 2008), 33.
2 Vgl. Arnold Jacobshagen, „Musikgeschichte als Institutionengeschichte“, in: Arnold
Jacobshagen und Frieder Reininghaus ed., Musik und Kulturbetrieb (Handbuch der
Musik im 20. Jahrhundert 10), (Laaber: Laaber 2006), 145–146. Jacobshagen argu-
mentiert vor diesem Hintergrund für die Institutionengeschichte: „institutionelle
Bezüge“ seien „an die Stelle traditioneller Gattungsnormen getreten“.
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mierten? Wie korrespondieren diese – oft Auftragswerke – mit dem an-
deren Programm? Die an einzelnen Fallbeispielen zu überprüfende Aus-
gangshypothese ist, dass diese in den Spielplänen auftauchenden Werke
dazu dienen, das Image der Institution zu modernisieren, ohne Konflikte
mit den Musikerinnen und Musikern und dem klassisch orientierten Pu-
blikum zu provozieren: dass also weniger tiefgreifende künstlerische als
imagebildende Faktoren für die Programmierung den Ausschlag geben.
Theo Hirsbrunner hat in einem ähnlichen Sinne den Kritikpunkt ange-
deutet, dass die jährlichen Uraufführungen in der Pariser Oper mitunter
den Anschein einer gewissen Beliebigkeit erwecken.1 Inwieweit diese Stra-
tegie mit dem häufig proklamierten Anspruch der zeitgenössischen Musik,
eine gesellschaftskritische Dimension zu kultivieren, in Konflikt tritt bzw.
diesen als unrichtig entlarvt, ist einer der Diskussionspunkte, die behan-
delt werden. Methodisch sollen nicht die Ergebnisse statistischer Auswer-
tungen im Zentrum stehen, sondern die Reflexion aktueller Programmie-
rungen anhand der Analyse einzelner Fallbeispiele. Was letztlich in Frage
steht, ist das Innovationspotential und der gesellschaftspolitische Wert von
Oper und Musiktheater.
Einleitung: Methodik und Forschungsstand
Geht es um die Frage nach dem Neuen, nach dem Innovationspotential der
Oper bzw. des Musiktheaters, sprechen mehrere Gründe für einen institu-
tionsgeschichtlichen Ansatz. Im Besonderen für das 20. Jahrhundert ist die
traditionelle Perspektive auf die Musikgeschichte als Geschichte der Kom-
ponisten und ihrer Werke oder der musikalischen Gattungen und Formen
problematisch. Viele künstlerische Entwicklungen deuten auf die Auflö-
sung der Gattungen hin, zugunsten einer „emphatischen Werkästhetik“
und einer Tendenz zur „Entgrenzung traditioneller Formbegriffe“.2 Zudem
kann von einer fortschreitenden Institutionalisierung des Musiklebens im
20. Jahrhundert gesprochen werden. Auch befördert das Interesse für Netz-
1 Theo Hirsbrunner, „Musiktheater der Gegenwart. Eine tour d’horizon“, in: Jürgen
Kühnel, Ulrich Müller und Oswald Panagl, ed., Musiktheater der Gegenwart. Text,
Komposition, Rezeption und Kanonbildung (Salzburg: Mueller-Speiser, 2008), 33.
2 Vgl. Arnold Jacobshagen, „Musikgeschichte als Institutionengeschichte“, in: Arnold
Jacobshagen und Frieder Reininghaus ed., Musik und Kulturbetrieb (Handbuch der
Musik im 20. Jahrhundert 10), (Laaber: Laaber 2006), 145–146. Jacobshagen argu-
mentiert vor diesem Hintergrund für die Institutionengeschichte: „institutionelle
Bezüge“ seien „an die Stelle traditioneller Gattungsnormen getreten“.
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