Page 27 - Weiss, Jernej, ur. 2019. Vloga nacionalnih opernih gledališč v 20. in 21. stoletju - The Role of National Opera Houses in the 20th and 21st Centuries. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 3
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neue musik auf österreichischen bühnen ...
tutionsgeschichtlicher Sicht Berührungspunkte zeigen, wobei Institutions-
und Rezeptionsgeschichte eng verbunden sind.27 Wiederum erscheint das
Spannungsfeld von Ökonomie und Politik konstitutiv.
Einige Punkte der Geschichte von Darmstadt erscheinen als Kontext
zu den Institutionen des Musiktheaters von besonderem Interesse: So wa-
ren die Salzburger Festspiele und die Sommerakademie des Mozarteums
Vorbild der Ferienkurse. Das Musiktheater fehlte aus praktischen Grün-
den, aufgrund der fehlenden Mittel. Dennoch gab es wegweisende Über-
legungen dazu. 28 Proklamiertes Ziel war es, die während der NS-Zeit ver-
säumte Moderne nachzuholen. Konflikte zwischen jüngerer und älterer
Generation sowie Rückkehrern waren prägend. Zu erwähnen ist auch der
stark abnehmende Frauenanteil in den ersten Jahren entsprechend der all-
gemeinen Nachkriegssituation.29
Darmstadt als „Gegengründung zu Institutionen des nationalsozialis-
tischen Deutschland“ zu positionieren, kann als Mythos der Moderne an-
gesehen werden. Es fand eine Mythisierung einer Arché, eines Ursprungs
statt, der einerseits die „Ereignisfolge“ und andererseits den „Geist“ be-
traf.30 Viele Elemente des Darmstädter Selbstverständnisses können als Ge-
genmythos zum NS-Mythos verstanden werden: zB. Rationalität versus
Irrationalität; Individualität versus Kollektivität, Politikabstinenz versus
Politisierung etc.; die „nicht begründeten Residuen der musikalischen Tra-
dition“ sollten beseitigt werden (im Gegensatz zu einer traditionsgebun-
deneren Schule der Moderne bei Schönberg). (Borio und Danuser, Im Ze-
nit der Moderne, 369) Das Eigenbewusstsein war eng verbunden mit dem
Avantgarde-Begriff. Sendungsbewusstsein vor dem Hintergrund der Ver-
achtung nationalsozialistischer und allgemein populistischer Kulturidea-
le prägte die Akteure.
27 Vgl. Martin Iddon, New Music at Darmstadt. Nono, Stockhausen, Cage, and Boulez
(Cambridge: Cambridge University Press, 2013), XI.
28 Siehe dazu auch folgende Artikel in Gianmario Borio und Hermann Danuser, ed.,
Im Zenit der Moderne. Die internationalen Ferienkurse für Neue Musik Darmstadt
1946-1966, (Freiburg im Breisgau: Rombach, 1997).
Michel Butor, „Le théâtre et la musique aujourd’hui“ (1963), 229–234; Giacomo Manzo-
ni, „Neue Musik – Neue Szene“ (1966), 235–244; Mauricio Kagel, „Neuer Traum –
Neue Musik. Gedanken zum Instrumentalen Theater“ (1966), 245–253; Heinz-Klaus
Metzger, „Das Musiktheater John Cages“ (1966), 253–266; Henri Pousseur, „Votre
Faust. Neue musikalische und theatralische Erfahrungen“ (1967), 267–292.
29 Vgl. Borio und Danuser, Im Zenit der Moderne, 94-98.
30 Ibid., 359-360.
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tutionsgeschichtlicher Sicht Berührungspunkte zeigen, wobei Institutions-
und Rezeptionsgeschichte eng verbunden sind.27 Wiederum erscheint das
Spannungsfeld von Ökonomie und Politik konstitutiv.
Einige Punkte der Geschichte von Darmstadt erscheinen als Kontext
zu den Institutionen des Musiktheaters von besonderem Interesse: So wa-
ren die Salzburger Festspiele und die Sommerakademie des Mozarteums
Vorbild der Ferienkurse. Das Musiktheater fehlte aus praktischen Grün-
den, aufgrund der fehlenden Mittel. Dennoch gab es wegweisende Über-
legungen dazu. 28 Proklamiertes Ziel war es, die während der NS-Zeit ver-
säumte Moderne nachzuholen. Konflikte zwischen jüngerer und älterer
Generation sowie Rückkehrern waren prägend. Zu erwähnen ist auch der
stark abnehmende Frauenanteil in den ersten Jahren entsprechend der all-
gemeinen Nachkriegssituation.29
Darmstadt als „Gegengründung zu Institutionen des nationalsozialis-
tischen Deutschland“ zu positionieren, kann als Mythos der Moderne an-
gesehen werden. Es fand eine Mythisierung einer Arché, eines Ursprungs
statt, der einerseits die „Ereignisfolge“ und andererseits den „Geist“ be-
traf.30 Viele Elemente des Darmstädter Selbstverständnisses können als Ge-
genmythos zum NS-Mythos verstanden werden: zB. Rationalität versus
Irrationalität; Individualität versus Kollektivität, Politikabstinenz versus
Politisierung etc.; die „nicht begründeten Residuen der musikalischen Tra-
dition“ sollten beseitigt werden (im Gegensatz zu einer traditionsgebun-
deneren Schule der Moderne bei Schönberg). (Borio und Danuser, Im Ze-
nit der Moderne, 369) Das Eigenbewusstsein war eng verbunden mit dem
Avantgarde-Begriff. Sendungsbewusstsein vor dem Hintergrund der Ver-
achtung nationalsozialistischer und allgemein populistischer Kulturidea-
le prägte die Akteure.
27 Vgl. Martin Iddon, New Music at Darmstadt. Nono, Stockhausen, Cage, and Boulez
(Cambridge: Cambridge University Press, 2013), XI.
28 Siehe dazu auch folgende Artikel in Gianmario Borio und Hermann Danuser, ed.,
Im Zenit der Moderne. Die internationalen Ferienkurse für Neue Musik Darmstadt
1946-1966, (Freiburg im Breisgau: Rombach, 1997).
Michel Butor, „Le théâtre et la musique aujourd’hui“ (1963), 229–234; Giacomo Manzo-
ni, „Neue Musik – Neue Szene“ (1966), 235–244; Mauricio Kagel, „Neuer Traum –
Neue Musik. Gedanken zum Instrumentalen Theater“ (1966), 245–253; Heinz-Klaus
Metzger, „Das Musiktheater John Cages“ (1966), 253–266; Henri Pousseur, „Votre
Faust. Neue musikalische und theatralische Erfahrungen“ (1967), 267–292.
29 Vgl. Borio und Danuser, Im Zenit der Moderne, 94-98.
30 Ibid., 359-360.
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