Page 84 - Weiss, Jernej, ur. 2019. Vloga nacionalnih opernih gledališč v 20. in 21. stoletju - The Role of National Opera Houses in the 20th and 21st Centuries. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 3
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vloga nacionalnih opernih gledališč v 20. in 21. stoletju

entsprechenden klaren Direktiven gegeben werden [...].‘ Auch am
9. Juli war es noch Zeit von Direktor Rainer Simons die Garantien
für die Reinhaltung des Theaters zu verlangen, denn im Moment
der Beschlußfassung im Stadtrat war ja der Vertrag noch nicht un-
terzeichnet, welcher der jüdischen Literaten=Klique das einzige
christliche Theater preisgab. Man hat den Verlust nicht hintange-
halten und erst jetzt, sechs Wochen später, erfährt die Wiener Be-
völkerung, daß ihm sein Theater unter der Hand wegeskamotiert
worden ist.47

Am 1. September eröffnete Simons die Saison mit dem Stück „Die Tra-
gödie des Menschen“ von Emerich Madach, und die Kritik war ausgespro-
chen positiv. Kurz danach kam es beim künstlerischen Personal zu Irritati-
onen, wie am 13. September zu lesen ist:

Eine Nachricht, die gestern wie ein Lauffeuer die Runde durch
alle Theatercafes machte und die auf den ersten Blick ja wirklich
Verblüffung erregen mußte, kommt aus dem Kaiserjubiläums=-
Stadttheater. Sie besagt, daß vorgestern sämtlichen Mitgliedern
dieser Bühne ein Zirkular der Direktion zur Unterschrift vorge-
legt wurde, in welchem sie verständigt wurden, daß die Direkti-
on ihre Verträge mit Schluß der laufenden Saison, das heißt mit 1.
Mai nächsten Jahres, als erloschen betrachte. Direktor Rainer Si-
mons begründet diese für die davon Betroffenen sehr harte Maßre-
gel damit, daß er vom nächsten Jahr ab vornehmlich die Oper kul-
tivieren wolle und daß er deshalb nicht alle jetzt engagierten Kräfte
behalten könne, sondern sich vorbehalten müsse, nur die zu be-
halten, die er auf Grund seiner eigenen Erfahrungen während der
laufenden Saison für die im nächsten Spieljahr zur Aufführung zu
bringenden Schauspiel= und Lustspielnovitäten geeignet erkannt
habe. Es sei also sehr wohl möglich, daß von den jetzt Gekündigten
eine größere oder kleinere Anzahl wieder neu engagiert werden
würde, vorderhand müsse er aber einmal tabula rasa machen.48

Die Zeitung findet dann zwar, daß „der Gedanke einer Volksoper“
schön sei, dennoch sollte „die Direktion alle Kraft daran setzen, um uns
ein gutes deutsches (!!) Schauspielhaus zu schaffen“.

47 Reichspost Nr. 196, 29. August 1903, S. 10f. „Wegeskamotieren“ bedeutet soviel „weg-
zaubern“ (insbesondere durch einen Taschenspielertrick).

48 Deutsches Volksblatt Nr. 5275, 13. September 1903, S. 10.

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