Page 90 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2023. Glasbena društva v dolgem 19. stoletju: med ljubiteljsko in profesionalno kulturo ▪︎ Music societies in the long 19th century: Between amateur and professional culture. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 6
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glasbena društva v dolgem 19. stoletju: med ljubiteljsko in profesionalno kulturo

orie, die Mutter - Klavierunterricht. Nach den Studien am Konservatorium
GMV ging A. Sołtys an die Königlichen Hochschule für Musik in Berlin-
Charlottenburg, wo beiden anerkannten Pädagogen Robert Kahn und Karl
Leopold Wolf Komposition beherrschte, wie auch Dirigieren bei Rudolf
Krasselt. Dazu besuchte er an der Berliner Universität die Vorlesungen von
Johannes Wolf, Carl Stumpf und Hermann Kretzschmar, nach der Absol-
vierung promovierte im Jahr 1921 mit der Dissertation über die deutsche
Musikkultur: Georg Oesterreich (1664–1735). Sein Leben und seine Werke.
Ein Beitrag zur Geschichte der norddeutschen Kantate.

Als Professor am Konservatorium des Polnischen Musikvereins
(PMV, so wurde nach 1919 der GMV ungenannt) unterrichtete A. Sołtys
die Harmonielehre und Kontrapunkt, später auch Instrumentierung und
Dirigieren, als Direktor beschäftigte er in erster Linie mit der Populari-
sierung der polnischen Musik und mit der Aufführungen der neuen Wer-
ke führenden europäischen Komponisten. Besonders liegt ihm am Herzen
das Schaffen der Vertreter der Vereinigung „Junges Polen“ – Mieczysław
Karłowicz, Ludomir Różycki, Grzegorz Fitelberg, wie auch mancher an-
deren seinen talentierten Zeitgenossen. Außer der Tätigkeit bei dem PMV
und seinem Konservatorium, leitete A. Sołtys in den 1930-en Krisenjahren
auch die Lemberger Philharmonie. Trotz den schwersten materiellen Um-
ständen und finanzieller Krise im ganzen Europa setzten der Verein und
das Konservatorium unter der vernünftigen Leitung von A. Sołtys ihre Ak-
tivitäten in allen Sphären des Musiklebens fort.

Der Zweite Weltkrieg und die Okkupation des Galiziens am 17. Sep-
tember 1939 und dann nach 1944 bis 1991 von der Sowjetischen Armee (in-
zwischen mit den 3 Jahren 1941–1944 der deutschen Okkupation) hat die
fruchtbare langjährige Tätigkeit des GMV – P MV dramatisch und end-
gültig unterbrochen.

Wenn ein allgemeines Porträt der Leiter des GMV man zeichnet,
könnte man vorstellen, wie talentierte und hochgebildete Persönlichkei-
ten das Musikleben von Lemberg und Galizien seit mehr als einem Jahr-
hundert geführt haben. Sie alle waren hochgebildet, erreichten ihre mu-
sikalische Ausbildung in den größten europäischen Kulturzentren, wie
Wien, Paris, Berlin, hatten die Kontakte zu den bedeutendsten Komponis-
ten und Interpreten ihrer Zeit. Jeder von ihnen war einen guten Kompo-
nisten (dieses Gebiet ihrer professionellen Tätigkeit sollten wir außer den
Rahmen des begrenzten Artikeltextes lassen, aber jeder ließ ein umfang-
reiches und ästhetisch wertes Komponistenerbe), dabei jeder hat noch ein

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