Page 250 - Weiss, Jernej, ur./ed. 2025. Glasbena interpretacija: med umetniškim in znanstvenim┊Music Interpretation: Between the Artistic and the Scientific. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 8
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            zu einem noch größeren Vorziehen um eine Viertel in T. 142 wird. Die über-
            raschende und expressive Wirkung dieser Synkopen ist bei der Aufführung
            durch einen dynamischen Nachdruck zu unterstreichen werden (siehe die
            diminuendo-Gabel beginnend auf diesem Akkord). Im Vergleich zu ande-
            ren Synkopengestalten kommt noch der Moment des „zu frühen“ Einsatzes
            dazu, der, wie oben beschrieben, durch einen freien, mit der linken Hand
            nicht unbedingt strikt synchronen und womöglich noch früher als notier-
            ten Anschlag des Akkordes mit dem Melodieton f‘‘ interpretatorisch darge-
            stellt werden kann. Die „gestohlene Zeit“ wird dann sozusagen im Rest des
            Schlages durch eine Ausdehnung „zurückgegeben“. Zwischen T. 138 und T.
            142 kann differenziert werden, indem die überraschende Wirkung des noch
            früheren Einsatzes vergrößert wird, und zwar durch die Steigerung einer
            oder beider der oben genannten interpretatorischen Interventionen bei der
            zweiten Phrase. Was aber bei beiden Stellen wichtig erscheint, ist die oben
            mehrfach erwähnte Wahrung des Metrums, die auch hier durch das leich-
            te Markieren der Basstöne unkompliziert zu bewerkstelligen ist. Beim A in
            der Mitte des Taktes hat dies den zusätzlichen Effekt der Hervorhebung des
            Leittons der Zwischendominante für b-Moll, der die wechselnde Harmonie
            unter der liegenbleibenden rechten Hand verwertet. 23












            Notenbeispiel 6a: Ballade Nr. 3 in As-Dur, op. 47, T. 138f.












            Notenbeispiel 6b: Ballade Nr. 3 in As-Dur, op. 47, T. 142f.



            23   Siehe auch op. 23, T. 167 oder auch op. 54 T. 422, wo das hineinkomponierte „ältere“
                 rubato durch einen verspäteten Einsatz des Tons zustandekommt.


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