Page 194 - Vinkler, Jonatan, in Jernej Weiss. ur. 2014. Musica et Artes: ob osemdesetletnici Primoža Kureta. Koper: Založba Univerze na Primorskem.
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musica et artes

erweckte die ausgehängte Mitteilung in deutscher Sprache in den Reihen der tsche-
chischen Hörer einen solchen Unmut, dass es am 19. Februar d. J. zu Ausschrei­
tungen kam, bei denen der verglaste Schrank mit den deutschen Mitteilungen
demoliert und die Aushänge abgerissen wurden. Bei den durchgeführten Ermitt-
lungen wurde festgestellt, dass die tschechischen Hörer das Aushängen deutscher
Bekanntmachungen für eine Provokation halten und ihre Auffassung auf dasje-
nige Gesetz stützen, kraft dessen das Konservatorium mit dem 1. Januar 1920 in
die staatliche Verwaltung mit tschechischer Unterrichtssprache übergeht, sie führen
an, dass die Wiener, Leipziger und Berliner Akademie, wie auch sämtliche deut-
schen Schulen den Angehörigen slawischer Nation kein Wort in ihrer Mutterspra-
che auszuhängen gestatten. Schließlich weisen sie darauf hin, dass sie es nicht als be-
rechtigt ansehen, 540 Hörer des tschechischen Instituts 30 Deutschen, das heißt einer
schier nichtigen Minderheit, gleichzustellen.3

Die Situation führte also zur Wegtrennung des tschechischen und des
deutschen Konservatoriums, wobei der tschechische (mehrheitliche) Teil zu
einem staatlichen Institut, welches für sich die Nachfolgerschaft des in natio-
naler Hinsicht utraquistischen Konservatoriums in Anspruch nahm, gewor-
den war, und der deutsche vom Verein zur Gründung und Erhaltung der
Deutschen Akademie für Musik und darstellende Kunst (entstanden am 2.
November 1919) eben als Akademie auf privater Basis neu gestaltet wurde.4

Zu Mitgliedern des Vereins wurden sowohl Persönlichkeiten des deut-
schen Musiklebens von Prag, als auch weitere Einzelpersonen, Vereinigungen
und – vertreten durch ihre Stadträte – ganze Städte, die sich zur finanziellen
Unterstützung des neuen Instituts verpflichtet haben. Der tschechoslowaki-
sche Staat hatte eine Summe von 50.000 Kronen für die Einrichtung bei-

3 Ebd. Es soll allerdings auf die Tatsache hingewiesen werden, dass die im besagten Brief angeführ-
ten Angaben über die nationale Zusammensetzung der Studentenschaft am Konservatorium
(540 : 30) ganz beträchtlich von denjenigen abweichen, welche in der deutschen Literatur anzu-
treffen sind und wo vom Verhältnis 2 : 1 gesprochen wird. Vgl. Peter Brömse, „Deutsche Akade-
mie für Musik und darstellende Kunst Prag“, in Lexikon zur deutschen Musikkultur. Böhmen, Mäh-
ren, Sudetenschlesien, Bd. 1 (Langen Müller: München, 2000), 284–287. Der erwähnten Zahl nähern
sich jedoch die Angaben im Bericht des damaligen Administrativverwalters des Konservatori-
ums, Karel Hoffmeister, vom 5. 6. 1919, in welchem er dem Schul- und Volksbildungsministerium
mitteilt, dass der gegenwärtige Stand der Schülerschaft 413 ist, deutscher Nationalität sind davon
35 Schüler, von denen 5 im laufenden Jahr absolvieren werden und 2 den Austritt angekündigt
hätten; im nächsten Schuljahr bleiben wahrscheinlich 27 Schüler, von denen fünf fremde Staats-
angehörige sind. Siehe Schrift Nr. 24473/2591.

4 Näheres über die Gründung der Akademie siehe bei Torsten Fuchs, »Die deutsche Akademie
für Musik und darstellende Kunst in Prag – Gründung und Strukturwandel im Spiegel neu er-
schlossener Dokumente«, in Musik im Protektorat Böhmen und Mähren (1939–1945). Fakten, Hin-
tergründe, Historisches Umfeld, hg. von Andreas Wehrmeyer (Ricordi: München, 2008), 63–87.

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