Page 35 - Weiss, Jernej, ur. 2019. Vloga nacionalnih opernih gledališč v 20. in 21. stoletju - The Role of National Opera Houses in the 20th and 21st Centuries. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 3
P. 35
neue musik auf österreichischen bühnen ...
kratischen Regierungen“ empfanden. Die Musik hatte auf Basis eines histo-
rischen Stücks eine neue Ästhetik eingebracht. Wenn auch die politische
Reichweite „angesichts der Massenarbeitslosigkeit und der Krisenhaftigkeit
des politischen Systems der Weimarer Republik“ mitunter als nicht ausrei-
chend angesehen wurde, wurde doch ein aufklärerisches Potential darin
gesehen, dass Operette, Schlager und die Operntradition kritisch parodiert
wurden, wie auch darin, dass Gebrauchsmusik sich hier als frisch und dop-
pelbödig entpuppte. Brecht sah das Stück explizit als Versuch an, die Oper
von Grund auf zu erneuern.46
Kurt Weill sprach von einer „Aufgabe des l‘art pour l’art Stand-
punktes“. Damit konnten Sie nach eigener Einschätzung ein Publikum an-
sprechen, „das weit über den Rahmen des traditionellen Musikhörers und
Operngängers hinausreiche“, wie er auf einer Anfrage der Zeitschrift Melos
sagte. Auch Mahagonny zeugt von der „Bemühung um Umerziehung des
als revolutionswürdig angesehenen Opern-Publikums“. Gerade die Bemü-
hung, „dem Musiktheater zu einer neuen Grundlage und Breitenwirkung
zu verhelfen“, erschien, so Frieder Reininghaus, „konsensfähig bis in die so-
zialdemokratische Mitte hinein“.47 Kreneks Jonny spielt auf (Leipzig 1927)
kann dafür in gewisser Hinsicht als Vorbild angesehen werden.
Auch Janáček, dessen Opern ein Fixpunkt im Repertorie darstellen,
ging seinen eigenen Weg, wie ihm bereits Julius Korngold attestierte. Seine
intensive Beschäftigung mit dem Wort, die er auch mit Mussorgksy teilte,
war der Punkt, der ihm zur Distanzierung von der Operntradition, im Be-
sonderen der „romantisierenden Nationalmusik“, verhalf. Die Idee der Li-
teraturoper, die auf ein Libretto als „Zwischenschritt“ verzichtete, teilte
er nicht nur mit Mussorgski, sondern u.a. auch mit Debussy, Berg und
Strauss.48 Im Besonderen die surrealen Stoffe brechen, wie Melanie Unseld
gezeigt, hat mit der Opernkonvention: Die Ausflüge des Herrn Broucek
(zum Mond), das Schlaue Füchslein, Die Sache Makropoulos, Aufzeich-
nungen aus einem Totenhaus nach Dostojewski, welche Janáček als aus ei-
ner Bilderfolge zusammengestellte Szenenmontage realisierte, lange bevor
46 Frieder Reininghaus, „Auf Ernst Kreneks linken Haken – folgt der Doppelschlag
von Bertolt Brecht und Kurt Weill“, in: Frieder Reininghaus und Katja Scheider, ed.,
Experimentelles Musik und Tanztheater (Laaber: Laaber, 2004), 73-74.
47 Reininghaus, „Auf Ernst Kreneks linken Haken – folgt der Doppelschlag von Bertolt
Brecht und Kurt Weill“, 75-77.
48 Melanie Unseld, „Experimenteller Dilettantismus, verkannte Avantgarde – Leoš Ja-
náčeks Weg von Jenufa bis Aus einem Totenhaus“, in: Frieder Reininghaus und Kat-
ja Scheider, ed., Experimentelles Musik und Tanztheater (Laaber: Laaber, 2004), 97.
33
kratischen Regierungen“ empfanden. Die Musik hatte auf Basis eines histo-
rischen Stücks eine neue Ästhetik eingebracht. Wenn auch die politische
Reichweite „angesichts der Massenarbeitslosigkeit und der Krisenhaftigkeit
des politischen Systems der Weimarer Republik“ mitunter als nicht ausrei-
chend angesehen wurde, wurde doch ein aufklärerisches Potential darin
gesehen, dass Operette, Schlager und die Operntradition kritisch parodiert
wurden, wie auch darin, dass Gebrauchsmusik sich hier als frisch und dop-
pelbödig entpuppte. Brecht sah das Stück explizit als Versuch an, die Oper
von Grund auf zu erneuern.46
Kurt Weill sprach von einer „Aufgabe des l‘art pour l’art Stand-
punktes“. Damit konnten Sie nach eigener Einschätzung ein Publikum an-
sprechen, „das weit über den Rahmen des traditionellen Musikhörers und
Operngängers hinausreiche“, wie er auf einer Anfrage der Zeitschrift Melos
sagte. Auch Mahagonny zeugt von der „Bemühung um Umerziehung des
als revolutionswürdig angesehenen Opern-Publikums“. Gerade die Bemü-
hung, „dem Musiktheater zu einer neuen Grundlage und Breitenwirkung
zu verhelfen“, erschien, so Frieder Reininghaus, „konsensfähig bis in die so-
zialdemokratische Mitte hinein“.47 Kreneks Jonny spielt auf (Leipzig 1927)
kann dafür in gewisser Hinsicht als Vorbild angesehen werden.
Auch Janáček, dessen Opern ein Fixpunkt im Repertorie darstellen,
ging seinen eigenen Weg, wie ihm bereits Julius Korngold attestierte. Seine
intensive Beschäftigung mit dem Wort, die er auch mit Mussorgksy teilte,
war der Punkt, der ihm zur Distanzierung von der Operntradition, im Be-
sonderen der „romantisierenden Nationalmusik“, verhalf. Die Idee der Li-
teraturoper, die auf ein Libretto als „Zwischenschritt“ verzichtete, teilte
er nicht nur mit Mussorgski, sondern u.a. auch mit Debussy, Berg und
Strauss.48 Im Besonderen die surrealen Stoffe brechen, wie Melanie Unseld
gezeigt, hat mit der Opernkonvention: Die Ausflüge des Herrn Broucek
(zum Mond), das Schlaue Füchslein, Die Sache Makropoulos, Aufzeich-
nungen aus einem Totenhaus nach Dostojewski, welche Janáček als aus ei-
ner Bilderfolge zusammengestellte Szenenmontage realisierte, lange bevor
46 Frieder Reininghaus, „Auf Ernst Kreneks linken Haken – folgt der Doppelschlag
von Bertolt Brecht und Kurt Weill“, in: Frieder Reininghaus und Katja Scheider, ed.,
Experimentelles Musik und Tanztheater (Laaber: Laaber, 2004), 73-74.
47 Reininghaus, „Auf Ernst Kreneks linken Haken – folgt der Doppelschlag von Bertolt
Brecht und Kurt Weill“, 75-77.
48 Melanie Unseld, „Experimenteller Dilettantismus, verkannte Avantgarde – Leoš Ja-
náčeks Weg von Jenufa bis Aus einem Totenhaus“, in: Frieder Reininghaus und Kat-
ja Scheider, ed., Experimentelles Musik und Tanztheater (Laaber: Laaber, 2004), 97.
33