Page 38 - Weiss, Jernej, ur. 2019. Vloga nacionalnih opernih gledališč v 20. in 21. stoletju - The Role of National Opera Houses in the 20th and 21st Centuries. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 3
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vloga nacionalnih opernih gledališč v 20. in 21. stoletju

Oper eines bis dato unbekannten Komponisten aufs Programm gesetzt.
Dieser verkörperte „das Verlangen nach dem Neuen“, das auch seine Musik
bediente. Dieser gelang es zugleich, die aktuelle „Zerrissenheit“ zu verkör-
pern. Dabei wurde das Fatalistische als das aktuelle Politische verstanden,
wie aus zeitgenössischen Kritiken hervorgeht.54 Einem wählte folgendes Zi-
tat von Georg Büchner als Vorspann für die Partitur aus:

Ich studierte die Geschichte der Revolution. Ich fühlte mich wie ver-
nichtet unter dem gräßlichen Fatalismus der Geschichte. In finde
in der Menschennatur eine entsetzliche Gleichheit, in den mensch-
lichen Verhältnissen eine unabwendbare Gewalt, allen und kei-
nem verliehen. Der einzelne nur Schaum auf der Welle, die Grö-
ße ein bloßer Zufall, die Herrschaft des Genies ein Puppenspiel, ein
lächerliches Ringen gegen ein ehernes Gesetz, es zu erkennen das
Höchste, es zu beherrschen unmöglich. Es fällt mir nicht mehr ein,
vor den Paradegäulen und Eckstehern der Geschichte mich zu bü-
cken. Ich gewöhne mein Auge ans Blut. Aber ich bin kein Guillo-
tinenmesser. Das Muß ist eins von den Verdammungsworten, wo-
mit der Mensch getauft worden. Der Ausspruch: es muß ja Ärgernis
kommen, aber wehe dem, durch den es kommt – ist schauderhaft.
Was ist das, was in uns lügt, stiehlt, mordet?55

Um die Handlung der aktuellen Situation näher zu rücken, betonten
Einem und sein Kompositionslehrer Boris Blacher, der Librettist, die Macht
der Massen und ihre Verführbarkeit stärker als Georg Büchner im gleich-
namigen Drama. Einem enthielt sich jedoch eines Urteils ebenso wie der
Auseinandersetzung mit der Frage der Schuld – entsprechend der offizi-
ellen von den USA unterstützten Politik des Nachkriegsösterreich. Der Ge-
danke, dass „alle Verbindungen zwischen Österreich und dem nationalso-
zialistischen Deutschland […] jetzt aufgelöst“ seien, wurde auch von den
amerikanischen Besatzern propagiert. Einem wurde in der Folge des Sen-
sationserfolgs Direktoriumsmitglied der Salzburger Festspiele. Salzburg
diente als „Plattform“, „ein österreichtaugliches und wohl auch konvenie-

54 Der Germanist und Historiker Joachim Reiber, als langjähriger Chefredakteur der
Zeitschrift der Gesellschaft der Musikfreunde bekannt, widmete diesem Mythos des
vollkommenen Neubeginns ein Buch, das sowohl die Bedeutung Einems seit den
1940er Jahren als auch die Problematik seiner zeitgeschichtlichen Position, stellver-
tretend auch für die Institutionen, in denen er wirkte, thematisiert. Joachim Rei-
ber, Gottfried von Einem. Komponist der Stunde null (Wien: Kremayr und Scheriau,
2017), 14.

55 Georg Büchner, zit.n. Reiber, Gottfried von Einem, 14f .

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