Page 39 - Weiss, Jernej, ur. 2019. Vloga nacionalnih opernih gledališč v 20. in 21. stoletju - The Role of National Opera Houses in the 20th and 21st Centuries. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 3
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neue musik auf österreichischen bühnen ...
rendes Geschichtsbild zu errichten“, stellte Joachim Reiber fest. Auch die
von Regisseur Oscar Fritz Schuh geforderte Internationalität diente letzt-
lich dazu, sich von Deutschland zu distanzieren.56 Diese Positionierung
darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass aufgrund personeller Kon-
tinuitäten sehr wohl nachhaltige Beziehungen zur Zeit vor 1945 bestanden.
Diese waren auch inhaltlicher Natur und betrafen Einem, Schuh und dem
Bühnenbildner Caspar Neher, die für den gefeierten künstlerischen Neube-
ginn ins Salzburg verantwortlich zeichneten. Bereits 1943, als Schuh nach
Wien kam, war an der Staatsoper eine Ära der Erneuerung zu bemerken,
für die die Presse unter dem Titel „Lebendige Oper in Wien“ Oscar Fritz
Schuh, Oberspielleiter an der Wiener Staatsoper, „einen der erfolgreichsten
deutschen modernen Opernregisseure“ verantwortlich machte.57 Es wur-
den nicht nur neue Werke von Wagner-Régeni, Egk und Orff gespielt son-
dern, wie Siegrid Schmidt darlegte, auch eine neue Form der Operninsze-
nierung zu realisieren gesucht. Dies entspricht den Bemühungen um einen
„neuen Mozart-Stil“, den Schuh gemeinsam mit Karl Böhm entwickelte. So
ist der Schluss mit Siegrid Schmidt berechtigt: „Alles schien nach Verände-
rung und Erneuerung zu verlangen, aber sie fand 1945 und in den direkten
Folgejahren nur sehr beschränkt statt, oder sie hatte sich schon vorher an-
gebahnt.“58 Werner Egk, Leiter der Fachschaft Komponisten in der Reichs-
musikkammer, war nicht nur Gottfrieds von Einem freundschaftlich ver-
bunden, sondern teilte auch dessen musikästhetische Vorstellungen, wollte
er sich doch „für eine neue deutsche Musik, die weder im Zwölftonsystem
festhing noch in den spätromantischen Klangkaskaden von Strauss“ einset-
zen, für „eine Moderne, in der auch etliches an Internationalität steckt“.59
Damit sah er sich selbst als viel offener und moderner an als beispielswei-
se Hindemith. Einem wurde als Zukunftshoffnung für genau eine solche
von Egk vertretene neue deutsche Moderne angesehen, wie Reiber darlegte.
Seine Assistentenstelle beim Generalintendanten der Dresdner Oper Heinz
Tietjen und seine Beziehungen sollten ihm auch eine Unabkömmlichkeits-
erklärung einbringen, die ihn vom Militärdienst befreite: Die Arbeit an
Danton war ein wichtiger Grund dafür. Nach der Schließung aller Theater
56 Reiber, Gottfried von Einem, 15-22.
57 Vgl. Siegrid Schmidt, „Oscar Fritz Schuh: Visionen, Uraufführungen und ihre Re-
zeption“, in: Jürgen Kühnel, Ulrich Müller und Oswald Panagl, ed., Musiktheater
der Gegenwart. Text, Komposition, Rezeption und Kanonbildung (Salzburg: Mu-
eller-Speiser, 2008), 109f.
58 Schmidt, „Oscar Fritz Schuh“, 112.
59 Reiber, Gottfried von Einem, 57.
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rendes Geschichtsbild zu errichten“, stellte Joachim Reiber fest. Auch die
von Regisseur Oscar Fritz Schuh geforderte Internationalität diente letzt-
lich dazu, sich von Deutschland zu distanzieren.56 Diese Positionierung
darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass aufgrund personeller Kon-
tinuitäten sehr wohl nachhaltige Beziehungen zur Zeit vor 1945 bestanden.
Diese waren auch inhaltlicher Natur und betrafen Einem, Schuh und dem
Bühnenbildner Caspar Neher, die für den gefeierten künstlerischen Neube-
ginn ins Salzburg verantwortlich zeichneten. Bereits 1943, als Schuh nach
Wien kam, war an der Staatsoper eine Ära der Erneuerung zu bemerken,
für die die Presse unter dem Titel „Lebendige Oper in Wien“ Oscar Fritz
Schuh, Oberspielleiter an der Wiener Staatsoper, „einen der erfolgreichsten
deutschen modernen Opernregisseure“ verantwortlich machte.57 Es wur-
den nicht nur neue Werke von Wagner-Régeni, Egk und Orff gespielt son-
dern, wie Siegrid Schmidt darlegte, auch eine neue Form der Operninsze-
nierung zu realisieren gesucht. Dies entspricht den Bemühungen um einen
„neuen Mozart-Stil“, den Schuh gemeinsam mit Karl Böhm entwickelte. So
ist der Schluss mit Siegrid Schmidt berechtigt: „Alles schien nach Verände-
rung und Erneuerung zu verlangen, aber sie fand 1945 und in den direkten
Folgejahren nur sehr beschränkt statt, oder sie hatte sich schon vorher an-
gebahnt.“58 Werner Egk, Leiter der Fachschaft Komponisten in der Reichs-
musikkammer, war nicht nur Gottfrieds von Einem freundschaftlich ver-
bunden, sondern teilte auch dessen musikästhetische Vorstellungen, wollte
er sich doch „für eine neue deutsche Musik, die weder im Zwölftonsystem
festhing noch in den spätromantischen Klangkaskaden von Strauss“ einset-
zen, für „eine Moderne, in der auch etliches an Internationalität steckt“.59
Damit sah er sich selbst als viel offener und moderner an als beispielswei-
se Hindemith. Einem wurde als Zukunftshoffnung für genau eine solche
von Egk vertretene neue deutsche Moderne angesehen, wie Reiber darlegte.
Seine Assistentenstelle beim Generalintendanten der Dresdner Oper Heinz
Tietjen und seine Beziehungen sollten ihm auch eine Unabkömmlichkeits-
erklärung einbringen, die ihn vom Militärdienst befreite: Die Arbeit an
Danton war ein wichtiger Grund dafür. Nach der Schließung aller Theater
56 Reiber, Gottfried von Einem, 15-22.
57 Vgl. Siegrid Schmidt, „Oscar Fritz Schuh: Visionen, Uraufführungen und ihre Re-
zeption“, in: Jürgen Kühnel, Ulrich Müller und Oswald Panagl, ed., Musiktheater
der Gegenwart. Text, Komposition, Rezeption und Kanonbildung (Salzburg: Mu-
eller-Speiser, 2008), 109f.
58 Schmidt, „Oscar Fritz Schuh“, 112.
59 Reiber, Gottfried von Einem, 57.
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