Page 42 - Weiss, Jernej, ur. 2019. Vloga nacionalnih opernih gledališč v 20. in 21. stoletju - The Role of National Opera Houses in the 20th and 21st Centuries. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 3
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vloga nacionalnih opernih gledališč v 20. in 21. stoletju
Dass die Staatsoper also aktuell den Staatskomponisten program-
miert und damit auch an die institutionelle Tradition der Einem-Erfolge
anschließt, kann als Auseinandersetzung mit der österreichischen Iden-
tität und Vergangenheit gesehen werden – eine Auseinandersetzung, die
auch eine Reflexion der „zweiten Schuld“ einschließt, was vielleicht erst
heute nach nunmehr längerem Abstand möglich ist. Einen Hinweis auf
diesbezügliche dramaturgische Überlegungen bietet das Programmheft
der Staatsoper zu Danton, in dem der Komponist selbst zu Wort kommt.
Einem sah seine Werke immer als zeitgebunden an: Er sei von dem Sujet
„hellauf begeistert“ gewesen, schreibt er von dem von Boris Blacher ange-
regten Fund 1943: „Wie sich beim Componieren zeigt, lag der Stoff genau in
meiner Zeit.“67 Wie der Titel dieses Texts sowie die Bemerkung, dass sich
„die Beschäftigung mit dem Opernstoff nach dem fehlgeschlagenen Wi-
derstand und dem Hitlerattentat vom 20. Juli 44“ intensiviert habe, nahe le-
gen, will sich Einem in der Rolle des gescheiterten Revolutionärs gesehen
wissen, die er auch als „Abrechnung mit der jüngsten, eben erst verklun-
genen, schrecklichen Vergangenheit“ bezeichnete.68 Wie Einems Memoi-
ren tendiert auch der von der Einem-Stiftung verfasste Lebenslauf dazu,
die Gegnerschaft Einems zum Nazi-Regime überzubetonen, indem sub-
til diesbezügliche Indizien angeführt werden, gegenteilig zu Wertendes je-
doch weggelassen wird oder nur kurz Erwähnung findet. Als ein Beispiel
sei Einems Besuch bei den Bayreuther Festspielen 1934 genannt, der in der
als Chronik verfassten Biografie eine Zeile einnimmt, gefolgt von etwas
mehr als vier Zeilen, die die Begeisterung Einems für Mahler behandeln
und unterstreichen, dass dessen Musik nicht hatte aufgeführt werden dür-
fen.69 Andreas Láng, Dramaturg der Staatsoper, schreibt zu Danton:
Das Werk ist, trotz der hochkomplex ersonnenen Partitur, inklusi-
ve aller historischen wie kompositorischen Querverweise und mah-
nenden Botschaften, ein die Sinne ansprechender und von diesen
zu erfassender Wurf, wurzelnd in den im NS-Regime gemachten ei-
67 Gottfried von Einem, „Ich träumte, ich wäre Danton“, in: Andreas Láng und Oliver
Láng, ed., Gottfried von Einem. Dantons Tod, (Wiener Staatsoper: Spielzeit 2017/18),
21.
68 Einem, „Ich träumte, ich wäre Danton“, 21.
69 Gottfried von Einem, „Biografie“, in: Andreas Láng und Oliver Láng, ed., Gottfried
von Einem. Dantons Tod (Wiener Staatsoper: Spielzeit 2017/18), 13–17.
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Dass die Staatsoper also aktuell den Staatskomponisten program-
miert und damit auch an die institutionelle Tradition der Einem-Erfolge
anschließt, kann als Auseinandersetzung mit der österreichischen Iden-
tität und Vergangenheit gesehen werden – eine Auseinandersetzung, die
auch eine Reflexion der „zweiten Schuld“ einschließt, was vielleicht erst
heute nach nunmehr längerem Abstand möglich ist. Einen Hinweis auf
diesbezügliche dramaturgische Überlegungen bietet das Programmheft
der Staatsoper zu Danton, in dem der Komponist selbst zu Wort kommt.
Einem sah seine Werke immer als zeitgebunden an: Er sei von dem Sujet
„hellauf begeistert“ gewesen, schreibt er von dem von Boris Blacher ange-
regten Fund 1943: „Wie sich beim Componieren zeigt, lag der Stoff genau in
meiner Zeit.“67 Wie der Titel dieses Texts sowie die Bemerkung, dass sich
„die Beschäftigung mit dem Opernstoff nach dem fehlgeschlagenen Wi-
derstand und dem Hitlerattentat vom 20. Juli 44“ intensiviert habe, nahe le-
gen, will sich Einem in der Rolle des gescheiterten Revolutionärs gesehen
wissen, die er auch als „Abrechnung mit der jüngsten, eben erst verklun-
genen, schrecklichen Vergangenheit“ bezeichnete.68 Wie Einems Memoi-
ren tendiert auch der von der Einem-Stiftung verfasste Lebenslauf dazu,
die Gegnerschaft Einems zum Nazi-Regime überzubetonen, indem sub-
til diesbezügliche Indizien angeführt werden, gegenteilig zu Wertendes je-
doch weggelassen wird oder nur kurz Erwähnung findet. Als ein Beispiel
sei Einems Besuch bei den Bayreuther Festspielen 1934 genannt, der in der
als Chronik verfassten Biografie eine Zeile einnimmt, gefolgt von etwas
mehr als vier Zeilen, die die Begeisterung Einems für Mahler behandeln
und unterstreichen, dass dessen Musik nicht hatte aufgeführt werden dür-
fen.69 Andreas Láng, Dramaturg der Staatsoper, schreibt zu Danton:
Das Werk ist, trotz der hochkomplex ersonnenen Partitur, inklusi-
ve aller historischen wie kompositorischen Querverweise und mah-
nenden Botschaften, ein die Sinne ansprechender und von diesen
zu erfassender Wurf, wurzelnd in den im NS-Regime gemachten ei-
67 Gottfried von Einem, „Ich träumte, ich wäre Danton“, in: Andreas Láng und Oliver
Láng, ed., Gottfried von Einem. Dantons Tod, (Wiener Staatsoper: Spielzeit 2017/18),
21.
68 Einem, „Ich träumte, ich wäre Danton“, 21.
69 Gottfried von Einem, „Biografie“, in: Andreas Láng und Oliver Láng, ed., Gottfried
von Einem. Dantons Tod (Wiener Staatsoper: Spielzeit 2017/18), 13–17.
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