Page 41 - Weiss, Jernej, ur. 2019. Vloga nacionalnih opernih gledališč v 20. in 21. stoletju - The Role of National Opera Houses in the 20th and 21st Centuries. Koper/Ljubljana: Založba Univerze na Primorskem in Festival Ljubljana. Studia musicologica Labacensia, 3
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neue musik auf österreichischen bühnen ...
le im Dritten Reich ist ambivalent. Seit 1942 auch Mitarbeiter der Reichs-
musikammer, war er Teil des nationalsozialistischen kulturpolitischen
Netzwerks, in dessen Rahmen er auch Kollegen wie den Dirigenten Leo
Borchard unterstützte und jüdischen Musikern, wie Konrad Latte, das Le-
ben rettete. Einems dritte Oper nach Friedrich Dürrenmatt, Der Besuch
der alten Dame, 1971 ein sensationeller Premierenerfolg in der Staatsoper,
behandelt ebenfalls die Frage nach später Gerechtigkeit.
Einem avancierte zunehmend zu Österreichs Staatskomponisten. Die
Uraufführung seiner Oper Kabale und Liebe nach Friedrich Schiller 1976
an der Wiener Staatsoper erlebte der Komponist gemeinsam mit seiner
Frau aus der Bundespräsidentenloge, das Werk ist dem damaligen Bundes-
präsidentenehepaar Kirchschläger gewidmet. Zum 75jährigen Bestehen der
Wiener Symphoniker wurde seinen Kantate An die Nachgeborenen aufge-
führt, die anlässlich des 30jährigen Bestehens der UNO zwei Tage zuvor in
New York ihre Uraufführung erlebt hatte. Der Auftrag stammte von Ge-
neralsekretär Kurt Waldheim. Die Kritik äußerte sich zu Einems Musik
meist hinsichtlich der musikalischen Sprache, der fehlende Avanciertheit
und Eklektizismus attestiert wurde oder auch „umfassendes Handwerk“.64
Inhaltliche Aspekte wurden kaum diskutiert. Gerade diese sind aber wich-
tig, will man die Bedeutung seiner Werke und deren gesellschaftskritisches
Potential heute erfassen. Mit Brechts Text thematisiert Einem wiederum
die Frage der Schuld, die hier als Schuldbekenntnis angesichts der eigenen
Unzulänglichkeit formuliert ist:
Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut/ in der wir untergegan-
gen sind /gedenkt/ wenn ihr von unseren Schwächen sprecht / auch
der finsteren Zeit/ der ihr entronnen sein […] Ihr aber, wenn es so
weit sein wird / daß der Mensch dem Menschen ein Helfer ist/ ge-
denkt unserer/mit Nachsicht.65
Einems Rückzug aus der Öffentlichkeit seit den frühen 1970er Jahren
– 1972 legte er seine Professur an der Wiener Musikuniversität zurück, es
folgte der Umzug ins Waldviertel – und seine zunehmende Hinwendung
zu mystischen Welterfahrungen können als Versuch gesehen werden, »den
Weg aus der Geschichte« zu finden und damit Befreiung von der Last der
Vergangenheit.66
64 Reiber, Gottfried von Einem, 184.
65 Bert Brecht, zit. n. Reiber, Gottfried von Einem, 188.
66 Reiber, Gottfried von Einem, 194.
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le im Dritten Reich ist ambivalent. Seit 1942 auch Mitarbeiter der Reichs-
musikammer, war er Teil des nationalsozialistischen kulturpolitischen
Netzwerks, in dessen Rahmen er auch Kollegen wie den Dirigenten Leo
Borchard unterstützte und jüdischen Musikern, wie Konrad Latte, das Le-
ben rettete. Einems dritte Oper nach Friedrich Dürrenmatt, Der Besuch
der alten Dame, 1971 ein sensationeller Premierenerfolg in der Staatsoper,
behandelt ebenfalls die Frage nach später Gerechtigkeit.
Einem avancierte zunehmend zu Österreichs Staatskomponisten. Die
Uraufführung seiner Oper Kabale und Liebe nach Friedrich Schiller 1976
an der Wiener Staatsoper erlebte der Komponist gemeinsam mit seiner
Frau aus der Bundespräsidentenloge, das Werk ist dem damaligen Bundes-
präsidentenehepaar Kirchschläger gewidmet. Zum 75jährigen Bestehen der
Wiener Symphoniker wurde seinen Kantate An die Nachgeborenen aufge-
führt, die anlässlich des 30jährigen Bestehens der UNO zwei Tage zuvor in
New York ihre Uraufführung erlebt hatte. Der Auftrag stammte von Ge-
neralsekretär Kurt Waldheim. Die Kritik äußerte sich zu Einems Musik
meist hinsichtlich der musikalischen Sprache, der fehlende Avanciertheit
und Eklektizismus attestiert wurde oder auch „umfassendes Handwerk“.64
Inhaltliche Aspekte wurden kaum diskutiert. Gerade diese sind aber wich-
tig, will man die Bedeutung seiner Werke und deren gesellschaftskritisches
Potential heute erfassen. Mit Brechts Text thematisiert Einem wiederum
die Frage der Schuld, die hier als Schuldbekenntnis angesichts der eigenen
Unzulänglichkeit formuliert ist:
Ihr, die ihr auftauchen werdet aus der Flut/ in der wir untergegan-
gen sind /gedenkt/ wenn ihr von unseren Schwächen sprecht / auch
der finsteren Zeit/ der ihr entronnen sein […] Ihr aber, wenn es so
weit sein wird / daß der Mensch dem Menschen ein Helfer ist/ ge-
denkt unserer/mit Nachsicht.65
Einems Rückzug aus der Öffentlichkeit seit den frühen 1970er Jahren
– 1972 legte er seine Professur an der Wiener Musikuniversität zurück, es
folgte der Umzug ins Waldviertel – und seine zunehmende Hinwendung
zu mystischen Welterfahrungen können als Versuch gesehen werden, »den
Weg aus der Geschichte« zu finden und damit Befreiung von der Last der
Vergangenheit.66
64 Reiber, Gottfried von Einem, 184.
65 Bert Brecht, zit. n. Reiber, Gottfried von Einem, 188.
66 Reiber, Gottfried von Einem, 194.
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